Neonazis in Nadelstreifen
geübt. Neurechte Argumentationsfiguren will Michael Schäfer, JN -Bundesvorsitzender sowohl in der Partei als auch in der Bewegung verankern und vorantreiben. Nicht zuletzt mit Bildungsarbeit.
In Bernburg kommt die Jugendorganisation der NPD regelmäßig zusammen. Die Adresse des Treffpunktes der Jungen Nationaldemokraten ist bekannt. Am Markt der Kleinstadt in Sachsen-Anhalt kann die JN in einem mehrstöckigen Stadthaus Räume nutzen. Ihre Bundesgeschäftsstelle haben sie nach der Wahl von Michael Schäfer zum JN -Bundesvorsitzenden hier unlängst eingerichtet. Kommt er doch aus der Region. Den »Kampf um die Köpfe« führt Schäfer indes nicht erst, seitdem er JN -Chef ist. Der Student der Politikwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle / Saale wirkte zusammen mit Matthias Gärtner beim »Amt Bildung« mit.
Im Januar 2007 entstand in Sachsen-Anhalt der Nationale Bildungskreis ( NBK ), mit dem auch eine Vernetzung von Gymnasiasten und Studenten angestrebt wird. Bildungsarbeit betreibt die JN seit Jahren, wie in Sachsen und Baden-Württemberg. Mit dem NBK soll das Basiswissen von autorisierten Kadern nun noch gezielter intensiviert werden. Die grundsätzliche politische Ausrichtung der JN beschrieb Michael Schäfer in der »Deutschen Stimme« im Dezember 2007 : »Wir haben chauvinistische und altrechte Anfälle hinter uns gelassen und leben einen Befreiungsnationalismus, der sozialistisch ist im Wirtschaftlichen, national im Staatlichen, völkisch im Kulturellen und freiheitlich im Denken.« Damit greift der 1982 in Wernigerode Geborene eine Argumentationsfigur auf, die schon 1985 formuliert wurde. Die »Neue Rechte« entwarf damals die Idee eines Befreiungsnationalismus, der ein »Lebensimpuls gesunder Völker« sei, um die ethnische und nationale Identität vor feindlich gesinnten »Supermächten« zu schützen.
Bemüht unkonventionell im revolutionär wirkenden Schick lässt sich Michael Schäfer ablichten. Fast sieht er mit dem tief ins Gesicht gezogenen Basecap, mit dunkler Kapuzenjacke und Jeans wie ein linksautonomer Student aus. Michael Schäfer, der für die NPD im Kreistag Harz sitzt, kommt indes aus der extrem rechten Kameradschaft Wernigeröder Aktionsfront. Zur Kreistagssitzung, berichten Abgeordnete der anderen Parteien, erscheine er dagegen im Anzug – bemüht bieder. Im Interview mit der »Deutschen Stimme« benannte er 2007 die doppelte Intention der Bildungsarbeit. Der Kampf um »die intellektuelle Aufrüstung« der Bewegung solle »nachhaltig« die »Ausprägungen des modernen Nationalismus« beeinflussen, »wie die wissenschaftliche Diskussion an den Hochschulen«. Ein dicker NBK -Ordner umfasst das Basiswissen, mit dem nach innen geschult und nach außen geworben werden soll. Mehrteilige Aktivistenschulungen zum »Grundwissen im politischen Kampf« finden längst statt. Matthias Gärtner, Politikstudent aus Magdeburg, richtet die neonazistischen Fortbildungen auch mit eigenen Vorträgen aus. In »Hier & Jetzt« legte Michael Schäfer bereits 2006 dar, sich auf »die nationalrevolutionären Ideen und Denkansätze aus der Zeit der Weimarer Republik« zu beziehen.
Im Winter 2005 erschien die Zeitschrift »Hier & Jetzt« das erste Mal. Das nüchtern-modische Layout deutet es gleich an: Diese Zeitschrift mit dem Untertitel »Gesellschaft – Politik – Bewegung« will ein Theorieorgan sein. Nicht bloß bei der NPD löste die Redaktion um Johannes Nagel damals Jubel aus. Die »Deutsche Stimme« berichtete stolz, dass die Zeitschrift, die der JN -Verband Sachsen herausgibt, sogar in der sich gern von der NPD abgrenzenden »Jungen Freiheit« gelobt wurde: »Ein junges Periodikum«, das »durch eine gelungene Gestaltung und einen diskutablen (…) überaus informativen Inhalt ins Auge fällt«. Nagel betont ganz im konservativ-revolutionären Jargon: »Wir stehen zwischen Tradition und Revolution.« In der Selbstdarstellung bewegen sie sich weiter in diesem Kontext: »Vielleicht kann heute, im Hier & Jetzt, wo der Nationalismus sich nicht selten subversiver Methoden zu bedienen hat, die Schreibmaschine auch so etwas sein wie ein Kriegsgerät.«
Heute leitet Dr. Angelika Willig »Hier & Jetzt«. Bei der »Jungen Freiheit« war sie früher. Dort betreute sie über Jahre die Ressorts »Kultur« und »Forum«. 1963 geboren, studierte sie Philosophie in Freiburg und München. In der »Deutschen Stimme« schwärmte Hugo Fischer im Juni 2008 von der Dame, »die eine echte Größe in der
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