Neonazis in Nadelstreifen
Rieger. »Strippenzieher auf Einkaufstour« titelte die »Frankfurter Rundschau« im Hinblick auf die vielen Orte, in denen er mit einem mehr oder weniger ehrlichen Kaufinteresse vorstellig wurde. Die »Financial Times Deutschland« schrieb: »Tatort Bruchbude. Wenn Rechtsradikale sich für Immobilien interessieren, geraten Kommunen unter Druck«. In anderen Medien ist die Rede vom »braunen Pokerspieler«, der mit Hausbesitzern »Hand in Hand« arbeite. Ob in Melle, Fassberg oder Warmensteinach – Riegers Name reicht aus, um für Aufruhr zu sorgen. Oft war von einem Deal die Rede. Nachweisen konnte ihm niemand etwas.
Unter den Neonazis in Nadelstreifen ist der Hamburger Rechtsanwalt einer der mächtigsten bundesweit. Obwohl der glühende Hitler-Verehrer bereits seit drei Jahrzehnten politisch aktiv ist, stand er der NPD bis vor wenigen Jahren eher distanziert gegenüber. Erst mit der Öffnung der Partei für die radikaleren »Freien Kameradschaften« gewann sie auch für ihn an Überzeugung. Im September 2006 trat er dem Hamburger Landesverband der NPD bei. Er sei wegen der »sozialen« Programmatik Mitglied geworden, zitiert ihn das Parteiorgan »Deutsche Stimme«, denn: »Mir gefällt der Begriff ›Solidarismus‹. Der beinhaltet die Idee der Volksgemeinschaft, Überwindung von Klassenkampf und Klassenhass.« Felix Krebs, ein Kenner der rechten Szene, charakterisiert Riegers politischen Ehrgeiz in der Publikation » 88 Fragen und Antworten zur NPD « als »gewachsenen Machtanspruch« aufgrund von dessen Führungspositionen sowohl im Netzwerk der »Freien Kameradschaften« als auch in neuheidnisch-rassistischen Gruppierungen. Nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes ist Rieger seinerseits für die NPD wichtig, weil er die Partei mit seinen finanziellen Möglichkeiten unterstützen kann. Beim Bundesparteitag der NPD im Mai 2008 in Bamberg bekam der machtbesessene Jurist endlich ausreichend Stimmen, um zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt zu werden. Er ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten. »Damit ist ein Interessenvertreter der neonationalsozialistischen Szene in ein führendes Amt der NPD gerückt«, resümierte anschließend der sächsische Verfassungsschutz. Seit Anfang 2007 ist Jürgen Rieger auch Landesvorsitzender der Partei in seiner Heimatstadt Hamburg.
Der NPD stellte Rieger über Jahre hinweg Räume in seinen Immobilien in Pößneck, Hameln oder Dörverden für Parteiveranstaltungen zur Verfügung. In die eigenen Karten blicken lässt sich der braune Advokat aber auch von den Kameraden nicht. Er weiß, dass die marode Partei und deren Anhänger in Geldnöten stecken, doch sein aus Erbschaften, Aktiengewinnen und Immobiliengeschäften erwirtschaftetes Vermögen mag er mit der »nationalen Sache« nicht bedingungslos teilen. Wenn es an die eigene Brieftasche geht, dann stapelt Rieger auch schon mal tief. Als ihm Mitte 2005 vor Gericht eine Geldstrafe von 1600 Euro drohte, jammerte der Jurist, er lebe zurzeit »von der Substanz«. Wegen »aufwendiger Investitionen mit Bankkrediten« befände er sich »erheblich im Minus«. Sein Reichtum stamme nicht aus der »Anwalterei«, räumte Rieger gegenüber Journalisten freimütig ein, vielmehr habe er »ein gutes Händchen für Immobilien«. Egal ob cholerisch aggressiv oder abgebrüht – Rieger ging schon immer seinen eigenen politischen Weg.
Im Mai 1946 wurde Jürgen Rieger in Blexen bei Oldenburg geboren. Die Familie zog nach Hamburg. Obwohl sich Dr. Heinz Rieger dort als angesehener Gynäkologe niedergelassen hatte, stellte sein Sohn, der Militärfreak, den Vater in der Öffentlichkeit nur als ehemaligen »U-Boot-Kommandanten« dar. Riegers Bruder trat beruflich in die Fußstapfen des Vaters und distanzierte sich von Jürgens politischen Ansichten. Jürgen Rieger heiratete in eine Blankeneser Familie ein, die Kanzlei wurde im Elternhaus seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau eingerichtet. Auch die beiden jetzt erwachsenen Kinder aus dieser Ehe wollen von den politischen Aktivitäten des Vaters nichts wissen, im Gegenteil, sie engagieren sich in sozialen Bereichen. Zwei weitere Kinder entstammen der Beziehung zu einer Heilpraktikerin. Gemeinsam mit seinem Vater betrieb Jürgen Rieger bis vor etwa 13 Jahren einen Campingplatz in Kollmar, einem kleinen Dorf zwischen Elmshorn und Glückstadt. Die Familie kaufte ein angrenzendes Mehrfamilienhaus hinzu. Ganz der treue Sohn, ließ er das Dach aufstocken, damit seine Mutter auf die
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