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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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Interviewpartnerin für Pressevertreter. Redegewandt wiegelt die jugendlich wirkende Berlinerin mit dem Pferdeschwanz kritische Fragen ab. Hähnels Kleidung ist bieder. Beim Sprechen wirkt ihr Gesicht aber ebenso hart wie das der Kameradin Zysk. Kein Lächeln umspielt die schmalen Lippen, die Augen blicken starr geradeaus. Aalglatt prallen Anschuldigungen an ihr ab, Gespräche versucht sie zu lenken und Interviews mit verhassten »Systemmedien« für ihre Zwecke zu nutzen. Hähnel, die vor Jahren mit einem der militantesten Kameradschaftsführer Berlins verheiratet war, gelangte 2006 in den Bundesvorstand der NPD . Wie zu erwarten war, ist sie dort für das Referat Familienpolitik zuständig. Ihre Rolle kennt sie: Der Partei dient sie bewusst als weibliches Zugpferd. Mit ihrer Hilfe sollen Sympathisantinnen aus der bürgerlichen Gesellschaft angeworben werden, schließlich will die NPD weg vom Schmuddel-Image.
    Im Statut des Rings Nationaler Frauen heißt es unter Paragraph 2 : »Der RNF hat die Aufgabe, Frauen zu schulen und zu bilden, um sie bei der Übernahme leitender Aufgaben in der NPD (...) zu unterstützen.« Aufgenommen in die Reihen der Frauenriege wird allerdings nur »jede Deutsche, die das 16 . Lebensjahr vollendet hat« – und sich zu »Programm und Satzung der NPD bekennt«.
    Um das in den Studien und Umfragen belegte Potential abschöpfen zu können, versucht die Partei, durch Frauen einen Imagewandel zu vollziehen. Rassistische und antisemitische Inhalte werden zunehmend familienfreundlich verpackt, der nationalsozialistische Kampfbegriff »Volksgemeinschaft« wurde zum heimelig anmutenden Wahlkampfschlager der Neonazis aufgepeppt. Von Stralsund bis in die Oberpfalz fanden unter rot-weißen NPD -Sonnenschirmen Feste mit Hüpfburgen für Kinder, mit Kaffee und Kuchen für Familien statt. Nette Mädchen im sportlichen Outdoor-Look und freundliche Frauen im Dirndl verteilten Flugblätter mit modernem Layout und alten Inhalten, menschenverachtend und brutal. »Getrennte Klassen für Deutsche und Ausländer«, heißt so eine NPD -Forderung. Nach der Ermordung eines achtjährigen Mädchens in Leipzig forderten Neonazis lautstark: »Todesstrafe für Kinderschänder«. Die Berliner NPD -Funktionärin und Organisatorin des Rings Nationaler Frauen, Gesine Hennrich, meldete Mitte Oktober 2008 eine »Anti-Kinderschänder-Demo« im Stadtteil Marzahn an, eine Woche zuvor hatte ihre Kameradin Nicole Becker aus Schöffengrund, die zur braunen Sanitätsgruppe Ersthelfer zählt, bereits einen Aufmarsch mit populistischem Hintergrund in Wetzlar organisiert.
    Diese Strategie scheint aufzugehen. Brigitte Schlamann vom Mobilen Beratungsteam Brandenburg konstatiert: »Frauen bekommen schneller Kontakt. Sie können sich mit anderen Frauen unterhalten, ohne dass man gleich daraus schließt, dass sie in der NPD sind.« Neonazistin Stella Hähnel drückte das Gleiche in anderen Worten aus: Über den Ring Nationaler Frauen sei ein »sanfter Einstieg« möglich.
    Bislang lag der Frauenanteil der braunen Szene je nach Region zwischen zehn und 30 Prozent. Die Sozialwissenschaftlerinnen um Renate Bitzan vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus beobachten seit über zehn Jahren einen Anstieg des weiblichen Anteils in der rechtsextremen Szene. Die Dozentin an der Universität Göttingen widerspricht Medienberichten: »Nicht eine explosionsartige Steigerung, sondern ein kontinuierlicher Anstieg von Frauen in der Szene ist zu beobachten.« Neu sei dagegen, so Bitzan, »dass Öffentlichkeit, Politik und Behörden das Phänomen ernster nehmen und genauer hinschauen«.
    Unterschiedliche Motive von Mädchen und Frauen führen zum Eintritt in die als männerdominiert geltende Szene. In manchen ländlichen Regionen oder Kleinstädten gilt rechter Lifestyle mittlerweile als attraktiv. Von markigen Sprüchen, Szeneklamotten und aggressiver Musik fühlen sich auch junge Mädchen angezogen. »Hier kommst du an den Rechten gar nicht vorbei«, erzählt eine 16 -jährige Realschülerin aus Ueckermünde in Ostvorpommern. Und wenn in Ostfriesland die Neonazi-Kameradschaften ihr Maibaumfest feiern und eine meterhohe Lebensrune hissen, dann sind auch die Mädchen aus den umliegenden Dörfern dabei. Wilde Partys mit Musik der Boehsen Onkelz und von Landser, gesellige Kameradschaftsabende oder gemeinschaftlicher Volkstanz bieten oftmals mehr Abwechslung als das ansonsten magere kulturelle Angebot. Schnell machen Mädchen mit, wenn es gegen

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