Neonazis in Nadelstreifen
»die Ausländer« geht. »Das Dazugehörigkeitsgefühl und diese familiäre Atmosphäre« hätten sie angelockt, gibt eine Aussteigerin aus den neuen Bundesländern als Gründe dafür an, zur rechten Szene gestoßen zu sein. Von rassistischem Denken aber will sie bis heute nichts wissen. Ausländerfeindliche Parolen hätten sie nie angesprochen, wiegelt sie ab.
Ein von Frauen oft benanntes Motiv für ihre rassistische Einstellung, so Bitzan, sei die Angst vor sexuellen Übergriffen durch ausländische Männer. »Eine rassistische Logik«, so die Rechtsextremismus-Expertin, denn »die Bedrohung durch weiße deutsche Männer« werde ausgeblendet und die Angst gänzlich auf »die fremden Männer projiziert«. Auch gruppeninterne Gewalt der Szene wird verdrängt. »Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung«, stellen die Sozialwissenschaftlerinnen Kerstin Döhring und Renate Feldmann ernüchternd fest. Oft werden sie allerdings heruntergespielt und von den Opfern nicht als solche benannt. Sie gelten dann sowohl für Männer als auch für Frauen als Vorfall, über den man nicht spricht. Vergewaltigungen, wie auch andere Misshandlungen und Nötigungen, verdrängen die Betroffenen aus ihrem Bewusstsein. »Sie spalten diese Situation von dem ideologischen oder verklärten Bild, dass sie gerne von der Gruppe hätten, ab«, betonen die Expertinnen. Den Mädchen sei es oft wichtiger, in dem Kreis bleiben zu können. Aufnahmen eines internen Neonazi-Videos von einer nächtlichen Maibaumfeier in Carolinensiel an der Nordsee aus dem Jahr 2005 zeigen den rüden Umgang von Skinheads der Freien Jugend Ostfriesland mit einem jungen Mädchen. Von den betrunkenen Kameraden wird sie herablassend »Vagina« genannt. Immer wieder drängen sie sich dem verängstigten Mädchen mit der Kamera auf, mit sexuellen Fragen soll sie bloßgestellt werden. Andere junge Frauen reagieren wenig solidarisch. Eine ist eifersüchtig und beschimpft sie vor den Männern als Konkurrentin. »Gerade die jungen Mädchen wurden rumgereicht«, erzählt Lisa W., eine Aussteigerin aus der Skinhead-Szene, »wenn sie mit dem Chef der Gruppe was hatten, dann sind sie ja auch wer.« Viele der jungen Frauen, die die Neonazi-Szene verließen, haben auch körperliche Gewalt zu spüren bekommen. Ebenso wie bei sexuellen Übergriffen erzählen sie aber nur ungern darüber. Meistens hat ihnen niemand geholfen. »Auch die anderen Frauen nicht«, betont Lisa. Im Gegenteil, die würden sich den Männern anpassen. Der Neid untereinander sei groß gewesen. Oft habe es unter den Mädchen geheißen: »Die ist selber schuld!«
Im Gründungsprogramm des RNF ist sexuelle Gewalt gegen Frauen kein Thema, auch auf ihrer Internetseite wird es nicht angesprochen. Dabei gibt die NPD vor, ein offenes Ohr für weibliche Sorgen zu haben. Über ihre soziale Situation sollen junge Mädchen und Frauen angesprochen werden. Eine Strategie, die auch die Hamburger NPD -Landesvorsitzende Zysk verfolgte. Mit Blick auf die Frauen erklärte sie: »Nur wenn es uns gelingt, eine Brücke zwischen nationalen und sozialen Fragen zu schlagen, werden wir die Bevölkerung für unsere Sache gewinnen.« Die Thematisierung der sozialen Frage dürfe nicht der Linkspartei / PDS überlassen werden, erläuterte sie gleich nach ihrer Wahl, »denn sonst verpassen wir eine einmalige historische Chance«. Ihr politischer Kurs auf Landesebene deckte sich weitgehend mit dem der Bundeslinie. Selbst wenn nicht alle NPD -Mitglieder eine weibliche Führungsfigur schätzten, war mancher zunächst froh, »eine vorzeigbare, intelligente und junge Frau an der Spitze« zu haben. Ehrgeizige Frauen der rechten Szene wie Zysk finden sich verstärkt im RNF . Seit der Gründung ist die Mitgliederzahl auf über 130 angestiegen. Allerdings sind weniger Neueinsteigerinnen in die Szene dabei, als propagiert wird. Die meisten Aktivistinnen sind Partnerinnen und Ehefrauen von NPD - und Kameradschaftsfunktionären, wie Jasmin Apfel, die Frau des NPD -Chefs in Sachsen, oder Marianne Pastörs, die Ehefrau des NPD -Fraktionsführers im Schweriner Landtag.
Neonazistischer Ideologie entsprechend sind Männer und Frauen gleichwertig, aber nicht gleichartig. Schüßler besucht ihre Mitstreiterinnen und hält Vorträge zum Thema »Gleiche Rechte – verschiedene Pflichten«. Damit vertritt der RNF in seinem Selbstverständnis zunächst klassisch konservative Positionen. Doch die Neonazistinnen übernehmen die Feindbilder ihrer Männer, Feminismus und
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