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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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besonnener vor. Die Wahl- DVD »Offensiv«, die im Januar 2008 in 20 000 Exemplaren unter das Volk gebracht wurde, ist eine Mischung aus inszenierten, vermeintlich live mitgeschnittenen Studioaufnahmen, Interviews und nationalistischen Songs von NPD -Liedermachern. Damit wollten die Macher »neue Wege« gehen, »ohne Vorurteile, ohne Hetze, ohne Ausgrenzung« – und meinten damit selbstverständlich sich selbst als angebliche Opfer einer Medienkampagne. Finanziert wurde der neue Werbeträger zunächst über den Verkauf an die eigenen Leute, für sie kosten 50 DVD s »Offensiv« 20 Euro, 1000 Stück nur 300 Euro. Die NPD rief ihre Verbände und Aktivisten zur Solidarität auf, damit die Auflage der DVD so »hoch wie möglich« steige. »Die Partei zieht ihren Mitgliedern das Geld aus der Tasche«, konstatiert Sven K., der einige Jahre selbst in leitender Position in einem Landesverband tätig war, aber mittlerweile die Szene verlassen hat. Seiner Erfahrung nach sind gerade viele jüngere Neonazis verschuldet, »weil sie ihr ganzes Geld in die politische Arbeit stecken«.
    Finanzielle Sorgen plagen auch die NPD . Immerhin stellte sich in einem Prozess gegen den langjährigen Bundesschatzmeister Erwin Kemna vor dem Landgericht in Münster heraus, dass der Voigt-Freund rund 741000 Euro aus dem Parteivermögen veruntreut hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Kemna der NPD zunächst in den Anfangsjahren bis zu 600 000 DM aus eigener Tasche geliehen hatte. Auch nachdem er sich 2002 mit der Wichmann Küchen GmbH in Lengerich selbständig gemacht hatte, liefen immer wieder Geldtransfers wie selbstverständlich über Privat- und Firmenkonten von Kemna. Die Partei steckte in großen Geldschwierigkeiten, Wahlkämpfe konnten nur mit Hilfe von privat geliehenen Geldern geführt werden. In seiner vor Gericht verlesenen Aussage räumte der NPD -Vorsitzende Udo Voigt ein, dass Wahlkämpfe überwiegend mit Darlehen bewältigt wurden. 2004 setzte das Präsidium »alles auf eine Karte«, »wir nahmen uns Sachsen« vor. Für die anstehende Landtagswahl sollte der Wahlkampfsäckel mit 400 000 Euro gefüllt werden. Das Geld aufzutreiben war des Schatzmeisters Aufgabe. »Kemna schaffte es immer«, so Voigt. Da sich viele Darlehensgeber aber scheuten, ihr Geld direkt auf NPD -Konten zu überweisen, sprang Kemna mit seinen privaten Konten ein. Der Bilanzbuchhalter begann, mit dem Geld zu jonglieren. Zum Schutz von Personen wurden Quittungen oder Belege nach der Rückzahlung vernichtet. Darlehen, die Spendensammler wie der Dresdener NPD -Unterstützer Wolfgang Schwarz gesammelt hatten, flossen nicht direkt vom NPD -Konto in Ludwigsburg zurück, sondern über Umwege und Kemnas Konten. Voigt behauptet, dass er die wenigsten Geldgeber kannte, das habe er Kemna vertrauensvoll überlassen. Nur bei manchen habe er sich persönlich bedankt. So gehörten laut Aussage von Voigt der »Verein zur Pflege nationaler Kultur e.V.« in Stuttgart, »Herr Rieger, Dr. Nordbruch oder der Bad Lauterberger Stadtrat Michael Hahn« zu den Darlehensgebern der Partei, die ihm namentlich bekannt seien.
    Seit 2006 aber ging es dem »treuen Parteisoldaten« Kemna vorrangig nicht mehr um die NPD , sondern darum, so Richter Erwin Rocznik, den Geschäftsbetrieb seiner Küchenfirma aufrechtzuerhalten. Er begann mit Buchungsmanipulationen, Anfangs- und Endbestände der Konten stimmten nicht mehr überein. Obwohl er seinem Parteichef 2006 von der drohenden privaten Insolvenz seiner Küchen-Firma berichtet habe, habe der ihn weiter »unbeaufsichtigt an fremden Vermögen herumhantieren« lassen, konstatierte der Richter scharf.
    Wie konnte es möglich sein, dass seit Januar 2006 fast überhaupt keine Parteibuchführung mehr stattfand – und niemand in der oft klammen NPD es bemerkt haben will? Kassenprüfungen erfolgten zumeist bei Parteitagen, zu denen schleppte Kemna die nötigen Ordner dann mit. Die NPD -Oberen machten in Münster vor Gericht glauben, dass es keinem auffiel, wie während eines Tatzeitraums von dreieinhalb Jahren über 700 000 Euro die Konten verließen.
    Der nur eintägige Prozess hinterließ unklare Sachverhalte. Kemna aber war voll geständig, und die anwesenden NPD -Funktionäre gaben die Ahnungslosen. Das Urteil lautete zwei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe für den 57 -jährigen Buchhalter, der seiner Partei bis dahin 34 Jahre angehört hatte. »Er ist bis aufs Hemd kahlgepfändet worden«, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

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