Neonazis in Nadelstreifen
»Ich würde das nicht als raffinierte Vorgehensweise ansehen!« Er sah Kemnas Aktivitäten eher als »Notmaßnahme« an. Dem sei das Ganze sichtlich über den Kopf gewachsen. Eines steht für das Münsteraner Gericht fest: Das NPD -Geld ist letztlich in der Insolvenz der Wichmann Küchen GmbH verschwunden, »das Geld ist weg!«
Vom Ungemach der Partei könnte allerdings einer profitieren: Jürgen Rieger. Sein Einfluss auf die Kameraden könnte noch wachsen. Für die zahlreichen Wahlkämpfe im Super-Wahljahr 2009 benötigt die NPD sehr viel Geld. In solchen Zeiten wird jeder noch so entfernte Kontakt zum Geldadel von Nutzen sein. Und Jürgen Rieger kennt sich aus: Immerhin gehörte der braune Advokat lange Zeit zur betuchten Klientel des 1898 gegründeten »Blankeneser Grundeigentümer Vereins e.V.«. Aufgrund kritischer Medienberichte musste Rieger den stellvertretenden Vorsitz des Vereins abgeben, nachdem er zuvor noch »mit überwältigender Mehrheit« in seinem Amt bestätigt worden war. Rund 18 Jahre lang hatte Rieger den 900 Mitgliedern der ehrenwerten Elbufer-Gesellschaft zur Seite gestanden, unter ihnen Angestellte der Justizbehörden, Richter und Anwälte. Manch ein Gönner wird es ihm vielleicht danken.
Andrea Röpke · Andreas Speit
»Die deutsche Frau«
Neonazistinnen zwischen Instrumentalisierung und Selbstbehauptung – Frauen in der NPD -Hierarchie –
Das nette deutsche Mädel von nebenan – Frauen stärken die »Volksgemeinschaft« – »Nationaler Feminismus«
»Nationalismus ist nicht nur Männersache«, verkündete Anja Zysk nach ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der NPD in Hamburg stolz. Im 41 . Jahr seit Gründung der Partei 1964 war erstmalig eine Frau an der Spitze eines Landesverbandes zugelassen worden. Ihr Engagement als Frau in der »nationalen Bewegung« begründete sie mit Wertvorstellungen von »Heimatliebe, Patriotismus und Brauchtum«. Eine lange Amtsperiode sollte es für die damals 34 -jährige Neonazistin allerdings nicht werden.
Dabei hatte die politische Karriere von Anja Zysk in der Hansestadt zunächst gut begonnen. Im August 2005 durfte die angehende Handelsschullehrerin für die NPD bei den Bundestagswahlen in Hamburg-Altona kandidieren. Drei Monate später löste sie den 76 -jährigen Ulrich Harder als NPD -Landesvorsitzenden ab. Harder, der den kleinen NPD -Verband jahrelang angeführt hatte, fühlte sich zu alt für weitere Führungsaufgaben. Ein männlicher Nachfolger ließ sich nicht finden, niemand wollte die mitgliederschwache Hamburger Truppe übernehmen. Zysk dagegen ließ sich nicht beirren. Euphorisch versprach die ehrgeizige Nationalistin nach ihrer Wahl: »Das ist ein positives Signal und eine Ermutigung für alle Frauen, sich künftig noch aktiver in die NPD einzubringen.« Sie war der NPD »in dem Glauben« beigetreten, dass die Partei eine »wirkliche Alternative zu dem uns regierenden BRD -Parteienkartell« darstelle und »einen bürgernahen und modernen Nationalismus« vertrete. Unterstützt von »Freien Nationalisten« wie Christian Worch, stürzte sich Zysk in die Parteiarbeit. Sie organisierte rechtsextreme Kundgebungen »gegen Polizeiwillkür« und mobilisierte junge Kameraden für Informationsstände in mehreren Stadtteilen der Hansestadt. Die schlanke Frau mit der strengen Miene zeigte Mut. Energisch legte sie sich mit Gegendemonstranten und Polizeibeamten an, scheute aber auch gelegentlich nicht den Konflikt mit der NPD -Spitze. An Radikalität stand sie den Männern ihrer Umgebung in nichts nach. Mit kritischen Journalisten sprach sie erst gar nicht. Ideologische Tricks waren ihr nicht fremd. 2006 verwendete die ehemalige Aachener Studentin, die von ihren Kommilitonen für »eher links« gehalten wurde, auch schon mal ein Zitat von Rosa Luxemburg. So war bei einer ihrer Kundgebungen gegen angebliche »Polizeiwillkür« auf einem NPD -Transparent zu lesen: »Freiheit ist auch immer die Freiheit des Andersdenkenden«. Am Rande der Veranstaltung in der Hamburger Osterstraße kam es zu Auseinandersetzungen. Auch das schreckte Zysk nicht ab, sie machte weiter – mit Erfolg für die Neonazi-Partei. Nach Angaben von Worch stieg die Mitgliederzahl des Landesverbandes nach einem Jahr weiblicher Führung auf 185 Mitglieder an, das entsprach einem Zuwachs von 32 Prozent. Ein besonderes Anliegen war es Zysk, die Partei für junge Frauen zu öffnen.
Die unverheiratete, kinderlose Aktivistin begann sich im neugegründeten Ring Nationaler Frauen ( RNF ) zu
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