Neonazis in Nadelstreifen
Krankheiten – schon denken viele offenbar: »Nette Frau«. Bei Judith Rothe ging diese Strategie im April 2007 mit einem Mandatsgewinn auf. Sie erhielt in ihrem Heimatwahlkreis 15 Prozent der Stimmen. Nationalistische Frauen als Politikerinnen – dahinter steckt parteipolitische Absicht. Manch ein NPD -Funktionär hat gelernt, dass bullige Skinheads als NPD -Politiker bürgerliche Sympathisanten meist verschrecken. Da kommt das Bild von der friedfertigen, politisch aktiven Mutter bei der Bevölkerung schon viel besser an. So wollen viele nicht glauben, dass ihr Lebensgefährte Marx, tätowiert und mit blankpolierter Glatze, und die schüchtern wirkende Rothe mit Grübchen in den Wangen die gleiche menschenverachtende Politik vertreten. Aber von der gewaltbereiten Neonazi-Szene distanzierte sich Rothe nie. Im Gegenteil, sie steht auch zu diesen Kameraden. Seit einem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim im benachbarten Sangerhausen im Januar 2007 rückten Marx und seine Freundin immer wieder in die Schlagzeilen. Am frühen Morgen des 6 . Januar 2007 hatten vier ihrer Partygäste im »Thingplatz« ein Asylbewerberheim in Sangerhausen angegriffen. Die Täter im Alter zwischen 17 und 21 Jahren warfen Brandsätze in eine der Wohnungen des Heims. Nur mit einem Sprung aus dem Fenster konnte sich ein Flüchtling aus Burkina Faso retten. Vor Gericht wurde Rothe als Zeugin geladen. Dem ZDF -Magazin »Mona Lisa«, das über den Fall berichtete, erklärte sie gänzlich abgebrüht: »Ich kann mit negativen Schlagzeilen leben. Egal, ob positiv oder negativ, ich stehe in der Zeitung, und das freut mich.« Die Tatsache, dass ihr Name im Zusammenhang mit einen Brandanschlag auftaucht, belaste sie nicht, fügte sie ungeniert hinzu.
Auch RNF -Aktivistin Ricarda Riefling hat wenig Berührungsängste gegenüber gewaltbereiten Neonazis. Sie ist mit dem mehrfach verurteilten Kameradschaftsführer Dieter Riefling aus Hildesheim verheiratet. Die 24 -Jährige tritt als Rednerin bei Neonazi-Aufmärschen hervor und wurde Mitte 2008 zur Vorsitzenden des NPD -Unterbezirks Oberweser gewählt. In Bad Nenndorf wetterte sie bei einem Marsch der militanten Nationalen Offensive Schaumburg über die Alliierten: »Sie haben uns nicht befreit, sie sind über uns hergefallen. In Begleitung von Mord, Folter, Vergewaltigung.« Mit Ehemann und zwei kleinen Kindern lebt sie im niedersächsischen Coppengrave. Dieter Riefling war Aktivist zweier verbotener Organisationen, der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei ( FAP ) und von Blood & Honour ( B&H ). 1998 sprach ein Gericht in Recklinghausen den überzeugten Neonazi wegen Körperverletzung schuldig. Bei einer privaten Feier hatte er einem Polizisten, der einen Streit schlichten wollte, die Nase gebrochen. Ein Jahr später erhielt Riefling unter Einbeziehung früherer Strafen fünf Jahre Bewährung wegen Fortführung der verbotenen FAP in Gestalt der Kameradschaft Recklinghausen.
Kein Wunder also, dass nicht er, sondern Ricarda Riefling sich im alltäglichen Leben vor Ort einbringt. »Über Politik hat Ricarda nie geredet«, rechtfertigte sich Ehrhard Ziemke, Vorsitzender des TSV Coppengrave. In der Schwimmabteilung habe sie sich mit um die Kinder gekümmert. Sie ist »eine der sechs Mütter, die die Kinder regelmäßig zum Schwimmbad fahren«. Schon im Kindergarten habe sich die Mutter von zwei Kindern engagiert. Nachdem »taz« und NDR über ihre Hilfe im TSV Coppengrave berichtet hatten, kam es im Ort zu heftigen Diskussionen. »Ricarda wird sehr geschätzt«, räumte Ziemke damals gegenüber der »taz« ein. Nun sagt er bloß noch: »Ich gebe keine Auskunft mehr.« Nach Aussage von Ricarda Riefling hat sie inzwischen ihre Funktion aufgegeben, um »weiteren Schaden vom Verein« abzuwenden. Als einen Grund für ihre gelungene Verankerung in der Gemeinde führt sie an: »Vor ein paar Jahren steckte die Schwimmsparte in personellen Schwierigkeiten. Da meine Tochter bereits Mitglied war und mir diese sportliche Betätigung sehr am Herzen lag, habe ich mich entschieden, das ganz zu unterstützen. Ich habe hier als Mutter und Bürgerin von Coppengrave gehandelt.« Die braune Saat ging auf. Denn die Anwohner, so Riefling, hätten trotz kritischer Berichterstattung, »überwiegend positiv« reagiert, wenn oft auch nur »hinter vorgehaltener Hand«.
Ricarda Riefling stammt aus einem rechten Elternhaus, bereits ihr Vater war strammer Republikaner. Jetzt schult sie selbst, alle drei Wochen, zehn Frauen,
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