Neonazis in Nadelstreifen
des Landkreises, spricht gar von No-go-Areas in Mecklenburg-Vorpommern, sogenannten Zonen der Angst für potentielle Opfer rechter Gewalt. »Wenn ich schwarz wäre und ein ängstlicher Mensch, würde ich in bestimmte Gebiete nicht gehen.« Die Gewalt richte sich aber nicht nur gegen Ausländer, denn, so Dargus, »wer aussieht wie ein Linker, ist genauso fällig«.
Ein Beispiel dafür ist der Vorfall, der sich Heiligabend 2007 im schleswig-holsteinischen Ratzeburg ereignete. Dort trafen sich nach der Bescherung 15 Jugendliche im »Moonlight«, einer beschaulichen kleinen Kneipe, unter ihnen Studenten, die ein gemeinsames Wiedersehen feiern wollten. Sie waren nicht die einzigen Gäste des Lokals. Aber dies wurde ihnen erst hinterher klar. Ihnen fielen die Neonazis im Raum anfänglich gar nicht auf. Als eine Frau aus der Runde zur Toilette ging, wurde sie von einem jungen Mann aus der anderen Gruppe als »dreckige Punkerschnepfe« beschimpft. In der Menge erkannte sie einen stadtbekannten Rechtsextremisten. Die Jugendlichen wollten keinen Ärger. Sie beschlossen, das Lokal zu wechseln. Die Rechtsextremisten brüllten ihnen »Zick-Zack-Zeckenpack« hinterher und zeigten den Hitlergruß, wie sich die Jugendlichen später erinnerten. Ihr Weg führte die Freunde in die nicht weit entfernte Cocktailbar »L’île« in der Langenbrücker Straße. Das Gegröle der Rechten begleitete sie bis zur Bar. Später merkten sie, dass sich am Marktplatz Rechte sammelten. Sie sahen mindestens zwölf Rechtsextremisten, die sich mittlerweile mit Holzlatten von einer nahegelegenen Baustelle bewaffnet hatten und zu ihnen herüberkamen. Kurz nach zwei Uhr war es, als die Rechten von der gegenüberliegenden Straßenseite anfingen, die Gäste der Cocktailbar wüst zu beschimpfen. »Wir und die Kellner sind raus«, berichtete ein Jugendlicher. Plötzlich wechselte einer der bewaffneten Rechtsextremisten die Straßenseite, kam auf die Gruppe zu, schubste und pöbelte gegen Gäste und Kellner. Ein weiterer Rechter kam hinzu und schlug gezielt einem jungen Mann mit der Holzlatte auf den Kopf. Der 24 -Jährige brach zusammen. Im Krankenhaus musste er operiert werden, die Ärzte fürchteten um die Sehkraft seines linken Auges. Nach der Attacke ergriffen die Rechtsextremisten die Flucht.
Augenzeugenberichten zufolge erreichte die Polizei nach etwa 20 Minuten den Tatort. Die Zeugen gaben an, dass die Beamten sich weigerten, eine Anzeige aufzunehmen. Sie taten es mit der Begründung ab, die Kneipengäste seien ja alle betrunken. Einer der Beamten fügte nach Recherchen der »tageszeitung« hinzu: »Von so einer hysterischen Kuh nehme ich keine Anzeige auf.« Vorwürfe, welche die Polizei zurückweist. Später stellte sich heraus, dass eine andere Streife den rechtsextremistischen Schläger festgenommen hatte. Als die Mutter des Opfers am ersten Weihnachtstag telefonisch eine Anzeige bei der Polizeiwache aufgeben wollte, bekam sie nach eigenen Angaben zu hören, sobald ihr Junge »wieder klar« sei, könne er irgendwann selbst eine Anzeige machen. Solches Verhalten von Polizeibeamten ist leider kein Einzelfall.
Die 14 Mitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters hatten am Abend des 8 . Juni 2007 allen Grund zu feiern. Die Premiere der »Rocky Horror Picture Show« im nahegelegenen Harzer Bergtheater Thale war ein großer Erfolg für das Ensemble, der noch begossen werden sollte. So machten sie sich auf zum »Spucknapf«, einer Musikkneipe in der Spiegelstraße. Doch schon am Eingang der Kneipe war es mit der Freude vorbei. Der Türsteher empfing einen der Mimen mit den Worten: »Keine Linken, keine Rechten, keine Punks!« und verweigerte ihm den Zutritt. Offenkundig störte ihn der Irokesenschnitt des Schauspielers. Gemeinsam beschloss man, ein anderes Lokal aufzusuchen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Eine Gruppe von acht bis zehn Neonazis, die in einem leeren Clubhaus nahe dem »Spucknapf« herumlungerte, fiel über einige der Schauspieler her. Mit blindem Hass prügelten und traten sie auf die überraschten Ensemblemitglieder ein. Zeugen beschrieben die Täter später als »trainierte Schlägertypen«. Am Ende der Prügelorgie lagen fünf Schauspieler verletzt am Boden und mussten ambulant und stationär behandelt werden. Eine Gerichtsmedizinerin stellte später bei zwei Opfern lebensgefährliche Verletzungen fest. Einer hatte zwei Schläge neben die Wirbelsäule erhalten und war gestürzt. Bereits am Boden liegend, hatten die Neonazis
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