Neonazis in Nadelstreifen
durchgeführte Live-Auftritt hinterlässt bei den Rechten denn auch das Gefühl, der verhassten Staatsmacht mal wieder ein Schnippchen geschlagen zu haben. Und wenn die musikbegeisterten, meist bierseligen Neonazis fröhlich ihre Bands auf der Bühne feiern und deren Texte mitgrölen, verschmilzt der Einzelne mit den neben ihm stehenden Gleichgesinnten zu einer Gemeinschaft. Für junge Szeneangehörige gleicht das erste Konzert beinahe einer Initiation, Ältere treffen dort Bekannte und Freunde wieder und können sich mit neuen CD s, Magazinen und anderen Accessoires eindecken.
Rund 150 Konzerte finden jährlich statt, oftmals als Privatveranstaltung, als Geburtstag oder ähnliches, getarnt. Obwohl es in einzelnen Bundesländern sogenannte Konzerterlasse gibt, in denen auf bestehende Rechtsnormen zur möglichen Auflösung derartiger Veranstaltungen hingewiesen wird, bleiben sie oft genug ungestört. Unverständlich ist ebenfalls, dass die Beamten nicht einschreiten, wenn bei einer als privat deklarierten Veranstaltung Türsteher kontrollieren, nur gegen Geld Eintritt gewährt wird und die Getränke bezahlt werden müssen – was nicht gerade dem Charakter eines privaten Festes entspricht.
Längst schon hat die NPD derartige Konzerte für sich entdeckt. Manche Veranstaltungen werden sogar als politische Veranstaltung deklariert, wodurch ein Zugriff durch die Polizei erschwert wird. NPD und Kameradschaftsführer wissen, wie sie sich bei jungen Anhängern beliebt machen können. Entsprechend versucht die NPD manche Parteiabende mit dem Auftritt eines Liedermachers attraktiver zu gestalten, oder politische Funktionäre verschaffen sich über ausschweifende Geburtstagspartys Reputation. Anlässlich seines 31 . Geburtstags richtete der bayerische JN -Landesvorsitzende Norman Bordin am 1 . September 2007 eine Feier im »Gasthaus Gruber« in Halsbach aus, zu der 200 einschlägige Gäste kamen. Die neonazistischen Bands Feldherren, Spreegeschwader, Natural Born Haters, Burning Hate und Blitzkrieg spielten.
Neben solchen »kleineren« Veranstaltungen organisiert die NPD seit Jahren größere Festivals und verknüpft Redebeiträge mit den Auftritten von Rechtsrockern. Ab 2002 setzte sie zunächst mit dem Pressefest ihres Parteiorgans »Deutsche Stimme« auf eine jährliche Zentralveranstaltung, mit zuletzt fast 7000 Besuchern. Da der organisatorische Aufwand für das Fest allerdings immens war, begannen die Partei und ihre Jugendorganisation ab 2007 stattdessen dezentrale Festivals durchzuführen. Am 19 . Mai kamen 500 Menschen zum »Thüringentag der nationalen Jugend« nach Eisenach. Zwei Wochen später fuhren rund 650 Anhänger zum »Rock für Deutschland« nach Gera. In der Hauptferienzeit richtete die Partei Sommerfeste aus. Mehr als 500 Sympathisanten trafen sich am 4 . August in Dresden und noch einmal so viele bei der zeitgleichen Veranstaltung in Sangerhausen. »Nur« 150 konnte die NPD eine Woche später ins saarländische Rehlingen-Siersburg locken. Dafür gelang es am 8 . September, mehr als 1500 Menschen zum zweiten »Fest der Völker« nach Jena zu mobilisieren. Auf dem international ausgerichteten, vom stellvertretenden thüringischen NPD -Landesvorsitzenden Ralf Wohlleben organisierten Festival traten 2007 drei neonazistische Bands aus verschiedenen europäischen Ländern auf und elf Redner aus neun Nationen. Welche soziale Bedeutung derartige Veranstaltungen für die Lebenswelt junger Neonazis haben, zeigte sich, als Thomas Gerlach, einer der führenden Kameradschaftsführer der Thüringer Neonazi-Szene, die Bühne nutzte, um am frühen Abend seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Das Publikum johlte.
Doch nicht immer funktioniert das abwechselnde Programm von Redner und Band. Um zwölf Uhr mittags hätte das Sommerfest in Sangerhausen beginnen sollen. Die Ankündigung versprach Musik von einheimischen Rechtsrock-Kapellen, Redebeiträge – sogar von dem Schweriner NPD -Landtagsabgeordneten Udo Pastörs – und ein großes »Familienprogramm« mit »Hüpfburg, Kinderschminke und vielen weiteren Schminkereien«. Um 14 Uhr erklomm der NPD -Landesgeschäftsführer Matthias Heyder schließlich die Bühne und eröffnete formal die Veranstaltung mit der Verlesung des polizeilichen Auflagenkatalogs. Welche Zahlen- und Buchstabenkombinationen untersagt waren, las er mit Nachdruck vor und erzielte damit den einen oder anderen Lacher. Es folgte die Landesvorsitzende Carola Holz mit einer Ansprache und danach
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