Neongrüne Angst (German Edition)
glauben Sie mir, Frau Kommissarin, das sind nicht die Typen, die sich bei Behörden an- und abmelden. Die Wohnungen werden von Frauen gemietet, von Freunden. Nie steht ihr richtiger Name an der Tür. Und ihr Kampfname schon mal gar nicht.«
»Mit Kampfname meinen Sie Decknamen?«
»Ja, soll ich es Künstlerpseudonym nennen? Wir sind ja hier nicht bei der Volksmusik!«
»Können Sie mir denn wenigstens die genauen Namen von dem Grizzlybären und von Mickymaus nennen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das werde ich ganz sicher nicht tun. Dieses bisschen Ehre werden Sie mir doch lassen. Ich kann Ihnen nicht die Namen meiner letzten Freunde verraten.«
»Nun, der Grizzly hat einen ziemlichen Sachschaden hinterlassen. Viele Leute haben gesehen, dass er es war, der die Autos mit dem Hammer zerstört hat. Wollen Sie auf den ganzen Kosten alleine sitzenbleiben? Man macht immer den verantwortlich, den man zu fassen kriegt.«
»Es ist mir egal, ob ich pleite gehe oder nicht. Mein Gott, wenn Sie wüssten, wie wurscht das inzwischen ist.«
»Sie sagen mir also nicht, wer sich unter den Kostümen befand?«
»Nein.«
»Können Sie uns denn die Personenbeschreibungen der drei russischen Männer geben?«
»Ja, kann ich. Angefressene Pizzagesichter mit Haifischaugen. Pjotr ist dumm wie Brot. Aber gewalttätig. Man erzählt sich über ihn, er sei bei der Fremdenlegion rausgeflogen.«
»Bei der Fremdenlegion rausgeflogen? Wegen Disziplinlosigkeit?«
»Nein, wegen Brutalität.«
Birte Schiller lächelte. »Das Ganze gehört wohl eher in den Bereich der Legenden.«
»Ja, vielleicht haben Sie recht«, gab er zu. »Man besorgt sich einen neuen Namen und erfindet sich einen Lebenslauf. Und dann versucht man, genau der zu sein. Meistens wirkt es. Milhailo ist der Kopf. Ein kühler Rechner. Ich meine das im wahrsten Sinne des Wortes. Fragen Sie ihn, wie viel die Wurzel aus irgendwas ist, und er gibt Ihnen sofort die Antwort. Der verlangt nicht nur seine Prozente, der kann sie auch ausrechnen …«
Sie registrierte, dass er fast mit Respekt über Milhailo sprach.
»Jurij ist der Fahrer. Von dem kann jeder Stuntman noch was lernen. Egal, ob russischen Panzer oder Formel-1-Rennwagen, Jurij kann jede Kiste in wenigen Sekunden kurzschließen und versteht sich dann auch darauf, sie zu fahren, und zwar bis zum Anschlag.«
»Warum glauben Sie, dass die drei Ihre Söhne umgebracht haben?«
»Weil sie mich nicht gekriegt haben. Ich war an dem Abend … nun, sagen wir, bei einer Freundin … Sie verdächtigen mich doch nicht selbst? Ich muss Ihnen nicht den Namen nennen, oder?«
»Wäre Ihnen das unangenehm?«
»Mir nicht, aber der Dame. Sie ist verheiratet. Ihr Mann ist beim Land angestellt.«
So, wie er das sagte, war es nicht ganz bedeutungslos. Deshalb fragte Schiller nach: »Beim Land? Als was denn?«
»Korinthenkacker? Schleimscheißer? Speichellecker? Was sie halt da für Jobs gerade anbieten.«
»Sie wissen es also nicht?«
»Es interessiert mich nicht.«
»Wollten Milhailo, Pjotr und Jurij auch von Ihnen Geld?«
»Sie wollten von allen Geld. Von euch vielleicht nicht, weil die Polizei keine Einnahmen hat. Bei allen anderen kassieren sie mit. Egal, ob Sie eine Pommesbude aufmachen, einen Fischstand, eine Discothek oder ob Sie ein paar Pferdchen für sich auf der Straße anschaffen lassen. Die drei halten die Hand auf. Und wer nicht zahlt, muss sich nicht wundern, wenn ihm etwas zustößt.«
»Sie haben also mit einem Angriff der drei gerechnet?«
Er schien sich in seiner Haut überhaupt nicht mehr wohl zu fühlen, wusste nicht, wo er sich lassen sollte, bewegte sich, wollte aufstehen, setzte sich dann aber wieder hin und sagte: »Ja … nein …«
»Wie, ja … nein …? Sie werden es doch genau wissen!«
»Ich hatte ihnen gedroht. Ich habe gesagt, wenn sie auch nur in die Nähe meines Loopings kommen, wenn sie meine Geschäfte stören oder einem Mitglied meiner Crew ein Haar krümmen, dann schneid ich ihnen die Eier ab. Und genau das werde ich auch tun, Frau Kommissarin. Früher oder später. Verlassen Sie sich drauf. Ein Hauser hält immer sein Wort.«
39
Johanna verließ das Haus fast vermummt. Obwohl die kommende Hitze schon zu spüren war, fror sie und hatte sich eine Mütze aufgesetzt und mit Halstüchern die Hälfte von ihrem Gesicht verdeckt. Lediglich die Nase guckte noch heraus.
Sie hatte eine Umhängetasche mit ihren Schulsachen dabei und trug einen Pullover, der sie unförmig wirken ließ. Von weitem
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