Neongrüne Angst (German Edition)
wieder. Dieser verfluchte, hinterlistige Hund.
Die Stimme hörte sich blechern an und verzerrt, anders als sonst. Wollte er ihr demonstrieren, wie viele Möglichkeiten er hatte, seine Stimme zu verfremden?
Es war, als würde er durch eine Tüte sprechen. Gleichzeitig war da ein metallener Hall. Irgendetwas knisterte, zunächst wie ein fernes Feuer, dann aber eher wie feine Rädchen, die gegeneinander gedreht wurden. Dann zwitscherten Vögel, und im Hintergrund war eine Schiffssirene zu hören.
»Na, wie geht’s dir?«
»Soll das ein Witz sein? Wie es mir geht? Wir sprechen im Deutschunterricht gerade über die Krimis der Schwarzen Serie, und ich hab das Gefühl, was mir passiert, ist um Längen schlimmer als das, was die Krimiautoren sich ausgedacht haben.«
Ein gekünsteltes Lachen erklang, das sie an den Anfang von Edgar-Wallace-Filmen erinnerte.
Während sie durch den Flur zur Toilette lief, sagte sie: »Du hast irgendwelche Geräusche auf Band aufgenommen, und die spielst du mir jetzt vor. Klasse. Toller Trick. Wäre meine Oma vor fünfzig Jahren bestimmt drauf reingefallen.«
Sie erschrak über ihre Frechheit. Trotzdem gewann sie Kraft aus ihren eigenen Worten. Ja, sie wollte aus der Defensive raus in den Angriff.
»Hast du die Schießerei auf der Danziger Straße angezettelt? Oder das Feuer auf dem Frachtschiff? Die Explosion im Einfamilienhaus?«
Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen festen, spöttischen Klang zu geben.
»Und das mit dem Atomkraftwerk in Japan warst du doch bestimmt auch, oder? Ich frage mich, ob du auch für die schweren Regenfälle in Westindien verantwortlich bist. Und wie hast du das eigentlich letztes Jahr mit dem Tsunami hingekriegt?«
Sie hörte jetzt nur seinen Atem. Er klang asthmatisch. Vielleicht war das aber auch nur eine Tonbandaufnahme, die besonders gruselig klingen sollte. Jedenfalls verfehlte es bei ihr die Wirkung.
Mit schnellen Blicken checkte sie den Raum ab. Zum Glück war sie in der Toilette alleine.
»Und wie geht es deiner Mutter?«, fragte er.
Es fühlte sich an, als hätte er einen spitzen Gegenstand in ihren Magen gerammt. Sie krümmte sich sogar, weil sie den stechenden Schmerz spürte.
»Lass meine Mutter aus dem Spiel!«
»Wie ist denn ihr Jochen so?«
Woher kennt der den neuen Lover meiner Ma?
Johanna wischte sich die Arme und das Gesicht ab, als sei sie durch große Spinnweben gelaufen, die an ihr kleben geblieben waren.
Er muss mir ganz nah sein, dachte sie. So nah, dass er alles mitkriegt. Hat der neue Liebhaber meiner Mutter etwas damit zu tun?
»Wenn ihr jetzt sturmfreie Bude habt und es eine schöne Party gibt, dann schlage ich vor, du leistest auch einen Beitrag dazu.«
»Was willst du von mir, verdammt?«
»Oh, das weiß ich sehr genau. Und diesmal wirst du mir auch geben, was ich mir wünsche.« Er krächzte die Worte heiser, wie Klaus Kinski.
Sie stellte sich einen Typen vor, der Edgar-Wallace-Filme liebte. Daraus kam einiges. Das Lachen. Die Stimmen, die er nachmachte.
»Du willst mich doch nicht noch einmal zornig machen? Hast du Papier und Stift in der Nähe, oder kannst du es dir merken?«
»Willst du mir was diktieren? Bin ich deine Sekretärin?«
Du darfst ihn nicht verärgern, dachte sie. Verärgere ihn bloß nicht.
»Du wirst zunächst ins Columbus-Center gehen und im Supermarkt all den Mist besorgen, den Gymnasiasten so gerne auf Partys kauen, wenn sie cool sein wollen. Chips und diesen ganzen Knabberkram.« Er hustete. »Von dort aus ins Mediterraneo. Diesmal wirst du die Brücke für mich überqueren. Dann ins Il Mercato. Von dort hätte ich gerne ein bisschen Olivenöl und mediterrane Leckereien. So was für einen schönen Vorspeisenteller. Die Getränke holen wir besser woanders. Wer will schon den Wein aus dem Supermarkt trinken? Ich denke, da gehst du am besten zu Lorenzen.«
»Wohin?«
»Lorenzen. In der Rickmerstraße. Da haben sie siebenhundert Sorten Spirituosen. Zunächst mal brauchen wie eine Flasche Altleher Hahnentritt. Kennst du den? Der hat dreiundfünfzig Prozent. Ein Kräuterlikör, leider nichts für kleine Mädchen.
Und dann französischen Rotwein. Château de Pez. Zwei Flaschen. Das alles bringst du zur Party von deinem Bruder mit.«
»Ich soll für Bens Party einkaufen?«
»Wer spricht von einkaufen? Das ist mir viel zu langweilig. Oh nein. Du wirst die Sachen stehlen.«
Er lachte. Diesmal war es nicht das Edgar-Wallace-Lachen, sondern es kam von ihm selbst.
»Kein Kuchen schmeckt besser
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