Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
in Ihrem Gebiß.«
Er zündete sich die Zigarette an. Der Rauch kräuselte um das Mundstück. Er blickte in den Schatten der Bäume.
»Nun, ich schätze, das ist nicht Ihr Stil«, sagte ich und erhobmich von meinem Stuhl. »Ich gehe jetzt. Sie sollten den heiligen Johannes vom Kreuz lesen. Es wird eine lange Nacht, General. Versuchen Sie nicht, mit Entschuldigungen durchzukommen. Unter Gentlemen mag das seine Berechtigung haben, aber den Toten gegenüber sind sie absolut wertlos.«
Ich ging zurück zur Haltestelle der Straßenbahn an der St. Charles Avenue. Die Esplanade lag im Schatten der ausladenden Eichenbäume, und der Wind blies Zeitungsfetzen über die Kreuzung. Die Schienen der Straßenbahn glänzten kupfern und vibrierten leise unter dem Gewicht des grünen Wagens, der eben am unteren Ende der Esplanade auftauchte. Der Wind war trocken und voller Staub, wie das abgebrannte Ende eines langen, heißen Nachmittags, und ich spürte den beißenden Geruch in der Nase, den die Straßenbahnen erzeugten, wenn sie funkenschlagend über einen elektrischen Kontakt fuhren. Am Himmel trieben ein paar mattschimmernde Wolken wie Wasserdampf vom Golf herüber, wo die Sonne bereits hinter einer violetten Gewitterwolke versank. Eine ältere schwarze Dame, die mit mir an der Haltestelle stand, hatte einen geblümten Schirm über dem Arm hängen. Auf dem kleinen Kopf hatte sie ein rundes Hütchen drapiert.
»Könnt noch Frösche regnen heut abend«, sagte sie. »Erst wird’s heiß und windig, dann riecht’s nach Fisch, dann flackern die Blitze rings um mein kleines Haus rum.«
Sie sah mich an und lächelte über ihren Witz. Ich half ihr in die Straßenbahn, in der zwei Schwarze saßen, die als Hausdiener im Garden District arbeiteten. Ich setzte mich neben die alte Dame auf eine der Holzbänke ganz hinten im Wagen, der langsam unter den Bäumen der Esplanade entlangrumpelte, vorbei an den mit Schnecken verzierten Balkongittern, den Straßencafés vor den Hotels, den blaugrünen Rasenflächen der Gärten, auf denen bereits die ersten Schatten lagen, den mit Marmorsäulen geschmückten Veranden, an denen einst Offiziere der Konföderierten ihre Pferde angebunden und mit ihren Damen Bourbon getrunken hatten. Von weit draußen über dem Golf hörte ich ein langes Donnergrollen, wie eine Batterie uralter Kanonen, die in immer kürzeren Abständen abgefeuert werden. Die schwarze Lady schüttelte feierlich den Kopf und gab ein tief in der Kehle erzeugtes feucht-sattes Summen von sich.
Epilog
Ich wurde wieder in den Polizeidienst aufgenommen, und die einzige disziplinarische Maßnahme, die mich traf, war eine schriftliche Ermahnung, weil ich Nate Baxter niedergeschlagen hatte. Innerhalb von zwei Tagen riefen etliche Cops an und gratulierten mir. Keiner von ihnen hatte etwas von sich hören lassen, als ich suspendiert war. Ich stellte fest, daß ich nicht bereit war, wieder zu arbeiten wie vorher, daß mein Aktenschrank voller Alptraumgestalten und Ängste in jenem alten Gebäude an der Basin Street, das einst Sklavenauktionen und Hahnenkämpfe beherbergt hatte, weiter unberührt bleiben würde. Ich nahm mir zwei Wochen Urlaub, und Annie und ich fuhren nach Key West, schlenderten im Schatten der Feigenbäume die Straßen um die Bucht entlang, wo einst Ernest Hemingway und James Audubon gelebt hatten, tauchten am Seven Mile Reef, wo das Wasser so klar und grün war, daß man die Sandkörner wie Diamantsplitter in der Hand zählen konnte, fingen Thunfische, Schnapper und Makrelen, aßen unten am Dock Platten voller gekochter Shrimps und frittierter Conch-Schnecken, während die Krabbenkutter in der Dünung an ihren morgendlichen Liegeplätzen auf und ab schaukelten.
Als die Zeit kam, da ich wieder hätte arbeiten müssen, hängte ich die von meinem Jahresurlaub verbleibende Woche an. Schließlich waren meine freien Tage aufgebraucht. Der Sommer war ausgebrannt; eines Tages blies eine frische Brise vom Golf die Hitze hinweg, das Blau des Himmels wurde dunkler, das Grün der Bäume tiefer. Starrköpfige Jungs versuchten nach wie vor, Baseball auf den Sandflächen zu spielen, aber nun wurde es jeden Morgen kühler, und nachmittags konnte man die Marschkapellen der High-Schools auf den Paradeplätzen für die Thanksgiving-Umzüge üben hören. An dem Tag, da ich die Arbeit wiederaufnehmen sollte, ging ich morgens um acht ins Erste Revier, füllte einen Antrag auf Auszahlung meiner Rentenguthaben aus und kündigte.
Es war Zeit, daß
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