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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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sind am Arsch«, sagte er.
    Nicht reden. Tu’s doch, fetzt, dachte ich.
    »Haben Sie verstanden? Am Arsch. Ihr Bruder, Ihr Mädchen – alles im Päckchen inbegriffen.«
    »Er dachte, Sie wären sein Freund. Sie sind ein Mistkerl«, sagte ich.
    Ich sah, wie sein Blick den Laden absuchte, wie er machtlos auf seine Angestellten starrte, die jetzt nichts mehr mit der Sache zu tun haben wollten. Dann verschwand seine Hand in der Schreibtischschublade und schloß sich um eine blauschimmernde Automatik. Ich ging mit dem Leinensäckchen auf ihn los. Der Schlag traf ihn am Unterarm und riß die Seitenwand von der Schublade. Seine Finger streckten sich und zitterten unter der Schockwirkung, und er legte seine Hand über die Schwellung, drückte den Arm an seine Brust und wich vor mir zurück. Er stieß mit dem Hintern und der Rückseite seiner Oberschenkel an das Mahagonigeländer, das den Bürobereich abgrenzte. Mehrere Bolzen lösten sich aus ihrer Befestigung, und das ganze Geländer fiel jählings mit einem Knall auf den Fußboden. Dann drehte er sich um und rannte davon, den Kopf mir zugewandt.
    Ich folgte ihm hinter den Tresen mit den Delikatessen, auf das Laufbrett, mitten zwischen die Verkäufer und Fleischer, deren Gesichter in dieser prekären Situation keinerlei Sympathien für die eine oder andere Seite erkennen ließen. Didi rang nach Atem, sein enormer Brustkorb arbeitete heftig, seine lockigen schwarzen Haare hingen ihm wie Schlangen ins Gesicht, die dunklen Augen hitzig und verzweifelt. Sein Atem klang, als drohe er an den Luftblasen in seiner Kehle zu ersticken. Unter dem Hemd zitterte das Fett über seinem Herzen. Er versuchte zu sprechen, wollte ein letztes Mal die Kontrolle über die Situation wiedergewinnen, die alten Tricks einsetzen, mit denen er aus Feinden stets verschreckte Bittsteller gemacht hatte. Statt dessen fiel er gegen den hölzernen Hackklotz und hielt sich mühsam an ihm fest. Der Klotz war braun gesprenkelt und mit den Resten gehackter Hühner übersät. Didis Bauch hing ihm über den Gürtel wie ein riesiger, mit Wasser gefüllter Ballon. Sein Gesicht war schweißnaß, und sein Mund kämpfte immer noch mit den Worten, die nicht kommen wollten.
    »Sie haben ’ne Freikarte, Didi«, sagte ich und ließ den leinenenGeldsack auf den Hackklotz fallen. »Geben Sie Ihren Angestellten ’ne Lohnerhöhung.«
    Draußen hörte ich die Sirenen.
    »Sagt den Cops, die sollen ’nen Krankenwagen schicken«, sagte einer der Verkäufer. »Dem läuft das Blut aus dem Sitzfleisch.«
    Noch am selben Abend wurde Didi Gee operiert. Die Chirurgen sagten, er habe bösartige Geschwulste, so groß wie Enteneier, in seinen Gedärmen gehabt. Sie schnitten und schnippelten, nähten und hefteten fast die ganze Nacht durch, bis zum Morgengrauen. Sie nähten seinen Enddarm zu, setzten ihm einen Tropf in die Seite und ernährten ihn intravenös. Später würde er einen Plastikbeutel am abgezehrten Körper tragen müssen, der binnen eines Monats einhundertundfünfzig Pfund an Gewicht verlöre. Er würde den Psychologen zuhören, die mit ihm in einem Vokabular redeten, mit dem er nichts anfangen konnte. Er würde auf einem Laufband stehen lernen und in therapeutischen Gruppentreffen mit Menschen zu sitzen, die vom Leben sprachen, obgleich deutlich zu sehen war, daß sie am Sterben waren. Er würde stumm auf Prospekte für Ferienreisen auf die Inseln starren und sehen, wie seine Kinder mit Abscheu auf den Geruch reagierten, der unter seiner Bettdecke hervorkam.
    Er würde anderen juristische Vollmachten übertragen, seinen Namenszug unter Papiere setzen, die jetzt kaum mehr Wert zu besitzen schienen als Konfetti, und versuchen, an den kommenden Herbst zu denken, an fliegende rote Blätter im Wind, an Weihnachtsbäume und Weinbrandkuchen und Eierpunsch, und an den folgenden Frühling, der sicherlich kommen würde, wenn er in Gedanken nur fest genug daran glaubte.
    Irgendwo tief in seinem Innern wußte er, daß seine Angst vor einem Tod im Wasser immer nur eine närrische Einbildung gewesen war. Der Tod war ein Nagetier, das sich Zentimeter um Zentimeter durch seine Eingeweide fraß, seine Leber und seinen Magen anknabberte, die Sehnen von den Organen trennte und schließlich, wenn er allein im Dunkeln war, satt und glitschig neben seinem Kopf saß, die Augen geschlossen, das feuchte Maulwie zum Kuß gespitzt, und ihm ein Versprechen ins Ohr flüsterte.
    Am nächsten Abend konnte ich nicht einschlafen. Zuerst dachte ich, es

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