Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
liege vielleicht an der Hitze, aber dann kam ich zu dem Schluß, daß es die Schlaflosigkeit war, die mich regelmäßig zwei- oder dreimal im Monat überkam und am nächsten Morgen lustlos und verwirrt aufwachen ließ. Endlich wurde mir klar, daß dies einfach der Preis war, den ich für meine Ambitionen bezahlen mußte. Der Mann aus Fort Lauderdale saß im Gefängnis, Didi Gee litt unter einer Strafe, die weit schlimmer war als jede, die ein Gericht ihm hätte auferlegen können, und ich wollte Wineburger und den General. Doch ich wußte, daß sie diese Runde gewonnen hatten, und diese Tatsache zu akzeptieren war für mich etwa so leicht, wie eine Rasierklinge zu verschlucken.
Gegen drei Uhr morgens fiel ich endlich in Schlaf und träumte. Shakespeare hat einmal gesagt, daß alle Macht in der Welt der Träume liegt, und ich glaube ihm. Auf irgendeine Weise läßt uns der Schlaf die Dinge, die im hellen Licht des Tages nur undeutlich zu erkennen sind, klarer sehen. Ich hörte wieder meinen Vater mit mir reden, ich sah seine kräftigen Muskeln unter dem Flanellhemd arbeiten, während er einen über drei Meter langen Alligator an einem Haken über das Scheunentor zog. Er stieß die Spitze seines Häutungsmessers in die dicke gelbe Haut unterhalb des Halses und schnitt dann mit beiden Händen eine lange rote Linie, die vom Maul bis zu der weißen Spitze unterhalb des Schwanzes verlief.
Ich hab ihn nicht gesehen, nein, sagte er. Weil ich wie ich gedacht habe, nicht wie er. Ein ’Gator legt sich nicht auf ’nen Baumstamm, wenn er Hunger hat. Er versteckt sich unter toten Blättern, die beim Ufer treiben, und wartet auf die großen, fetten Waschbären, die zum Trinken ans Wasser kommen.
Bei Tagesanbruch wachte ich auf, filterte mir eine Kanne Chicoréekaffee, wärmte einen kleinen Topf Milch an, toastete ein halbes Dutzend Scheiben Brot in der Bratpfanne und frühstückte draußen auf dem Deck, während sich ein rosiges Licht über den Himmel ausbreitete und die Möwen über mir zu jagen und kreischenbegannen. Ich hatte mir immer eingebildet, ich sei ein guter Polizist, aber es erstaunte mich doch immer wieder, wie ich manchmal etwas übersehen konnte, das so offensichtlich war. Mein Vater konnte weder lesen noch schreiben, aber in vieler Hinsicht hatte er beim Fischen und Jagen da draußen im Marschland mehr gelernt als ich in all den Jahren als Student und später während meiner Ausbildung als Polizist. Ich fragte mich, ob er nicht am Ende ein besserer Polizeibeamter gewesen wäre als ich, einmal abgesehen von der Tatsache, daß er keine Vorschriften, keinerlei Autorität und keine Leute mochte, die sich zu ernst nehmen. Aber vielleicht war gerade das seine große Gabe, dachte ich; er lachte einfach über diese Ernsthaftigkeit der Leute, und das war auch der Grund, warum er sich von ihren Täuschungsmanövern und Ausflüchten nicht in die Irre führen ließ.
Um halb acht verließ ich mein Hausboot und war bereits am Gerichtsgebäude des Sprengeis Jefferson, als um acht Uhr geöffnet wurde. Nach einer halben Stunde hatte ich gefunden, wonach ich suchte. Ich zitterte geradezu, als ich durch den mit Marmor getäfelten Flur zum öffentlichen Telefon ging und Fitzpatricks Vorgesetzten im Federal Building anrief.
»Endlich hab ich Larry Wineburgers Lagerhaus gefunden«, sagte ich.
»Tatsächlich?« fragte er.
»Ganz recht.«
Er antwortete nicht.
»Ich spreche von dem, das der Nicaraguaner auf dem Tonband erwähnt hat«, sagte ich. »Ich nehme doch an, daß Sie sich das Band angehört haben.«
»Das haben wir.«
»Es liegt drüben in Jefferson, neben der Barataria Road. Ich hab die ganze Zeit im Katasteramt nach Besitzurkunden gesucht, bis ich endlich drauf kam. Warum sollte sich ein Slumlord wie Wineburger ein Lagerhaus kaufen? Er macht seine Immobiliengeschäfte doch vor allem mit den Wohlfahrtsempfängern. Ein Typ wie Whiplash kauft doch nichts, was ihm nicht sofort hohen Gewinn bringt. Also hab ich im Katasteramt noch mal nachgesehen, diesmal nach Pachtverträgen. Das Gesetzschreibt zwar nicht vor, daß man einen Pachtvertrag amtlich registrieren läßt, aber ein Anwalt macht so was automatisch, um sich abzusichern.«
»Könnten Sie mir verraten, warum Sie Ihre Allwissenheit mit uns zu teilen gedenken?«
»Was?«
»Von wem haben Sie diesen göttlichen Auftrag? Warum fühlen Sie sich verpflichtet, unseren Untersuchungen auf die Sprünge zu helfen?«
»Sind Sie nun an der Information interessiert oder
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