Nephilim
Gesicht.
Teufelssohn , fegte Matradons Stimme durch seine Gedanken. Das bist du in der Tat! Lange spürte ich sie nicht mehr, die Magie des Höllenblutes, das auch das meine ist! Dämon, Engel, Nephilim – eins sind wir, die wir in den Schatten hausen und die Feuer der Welt in unseren Lungen tragen!
Noch einmal brüllte der Mantikor, dass seine Stimme über die Dächer der Stadt hinwegspülte wie ein donnerndes Meer, dann zog er die Schwingen an den Körper und hielt auf die Nephilim zu, die mit offenen Mündern zu ihnen aufsahen. Mit heftigem Flügelschlag glitt Matradon durch ihre Mitte, sodass sie erschrocken auseinandersprangen, und hielt auf die letzte Fackel zu, die Nando mit einem Freudenschrei ergriff. Noch einmal rasten sie über den Himmel Roms, den Schein des Mondes wie Flammen aus Eis auf ihren Gesichtern. Dann verlangsamte Matradon seinen Flug und landete hoheitsvoll auf dem Platz.
Die Nephilim standen in einiger Entfernung, und als Nando von dem Rücken des Mantikors sprang, bemerkte er etwas wie Achtung und Erstaunen in manchem Augenpaar. Die Stimme Matradons klang in ihm wider, und sie vereinte sich mit den Worten Antonios, der nun zu ihm trat und ihm mit einem stolzen Lächeln die Hand auf die Schulter legte.
Diese Kraft steckt in dir , hörte Nando ihre Worte in seinem Kopf. Und niemand als du selbst herrscht über sie. Vergiss das niemals.
Nando konnte nicht antworten. Er spürte sein Herz in seiner Brust, fühlte das Licht der Fackel, das dem Schein des Mondes Antwort gab, und ließ den Blick über die Stadt schweifen, aus deren dunklem Häusermeer sich funkelnd und glimmend die Gebäude der Engel erhoben. Wie beim ersten Mal ergriff ihn eine seltsame Sehnsucht, als er zur Engelsstadt hinaufsah, und er grub seine Hand nachdenklich in Matradons Fell, während er seinen Blick in Licht und Schatten versenkte.
Hinter sich hörte er die Nephilim tuscheln, er spürte Paolos hasserfüllten Blick und vernahm die Worte Antonios, mit denen er den Unterricht für beendet erklärte. Die Ritter kehrten von ihren Posten zurück, sie begleiteten die Novizen zurück in ihre unterirdische Welt. Nando wusste, dass er sich abwenden und ihnen folgen musste, aber er konnte es nicht. Sein Blick hing an dem neuen Rom, das sich vor ihm ausbreitete wie ein Teppich aus schwarzen und goldenen Lichtern, und nur mit Mühe gelang es ihm, die Hand aus Matradons Fell zu lösen und die Fackel im Sand des Pincio zu ersticken. Auch er würde zurückkehren in die Unterwelt, zurück nach Bantoryn.
Er schaute hinüber zur Engelsburg, die sich in strahlenden Kuppeln, Balustraden und Zinnen in die Nacht erhob und mit flammenden Strahlen die Stadt Nhor’ Kharadhin über sich trug. Kaum hörbar trat Antonio neben ihn und folgte seinem Blick.
»Du lernst schnell«, sagte er leise. »Bald schon wirst du stark genug sein, um die größten Gefahren der Schattenwelt meistern zu können. Doch niemals, Nando, wirst du einen Schritt in die Stadt der Engel setzen. Niemals – versprich es mir.« Nando wandte den Blick, ein fast feierlicher Ernst lag in Antonios Stimme. »Dort, Sohn Bantoryns, liegt das Herz des Lichts, das Zentrum der Engelsmacht in dieser Welt. Es gibt keine Stadt, ob im Licht oder in den Schatten, die es an Schönheit mit Nhor’ Kharadhin aufnehmen könnte, und niemals wird dein Auge je wieder Befriedigung finden, wenn du einmal durch diese Straßen gegangen bist. Und doch – dieser Ort bedeutet den Tod für alle Nephilim und königsfernen Engel. Er bedeutet das Ende unserer Welt.«
Nando nickte nachdenklich. Das Licht der Engelsburg flackerte auf, als würde sich in ihren Mauern etwas verbergen, das ihn zu sich rief, und doch sagte ihm jeder kristallene Funken, der über seine Haut tanzte, dass Antonio die Wahrheit sprach: Die Engelsburg war der Eingang nach Nhor’ Kharadhin. Und diese Stadt bedeutete seinen Tod.
Noch einmal sog er das Bild des nächtlichen Roms in sich auf, wandte erneut den Blick zum Mond und spürte die Luft auf seiner Haut, die wie der Duft des Meeres roch. Dann wandte er sich ab von der Welt des hellen Scheins und folgte Antonio und Matradon. Sein Weg führte ihn in die Unterwelt. Sein Weg lag jenseits des Lichts.
20
Avartos stand auf der höchsten Ebene der Engelsburg und wartete darauf, zur Königin vorgelassen zu werden. Unverwandt und mit finsterem Trotz schaute er zu der Statue hinauf, die auf einem Podest aus gebrochenem Kristall über der Stadt der Menschen und unterhalb Nhor’
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