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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Gruppe zu schützen, wie sie es gelernt hatten. Und doch fühlte er sich in diesem Moment, als würde er sich als hilfloser Welpe in die Höhle des Löwen wagen. Mit aller Macht drängte er diesen Gedanken beiseite. Das Licht glitt über die Körper seiner Gefährten und schließlich auch über seine Haut. Er hielt den Atem an, als Paolo um die Kurve bog, folgte den anderen in den schwarzen Schein – und stieß erleichtert die Luft aus.
    Die Höhle vor ihnen lag in düsterem Zwielicht. Die Decke wurde von schuppigen Säulen aus Stein gehalten, und zwischen ihnen, auf dem Boden und auf den Felsvorsprüngen, die überall aus den Wänden ragten, erhoben sich tiefschwarze Glutbäume. Im ersten Moment wirkten sie wie Schatten, die über die Wände zitterten, oder wie wehende Tücher in dem plötzlich stärker werdenden Wind. Sie waren prunkvoller als die Bäume des Aschemarktes oder Bantoryns, die Nando kannte. Ihre kristallbesetzten Stämme schoben sich aus dem harten Fels, und ihre Kronen streckten sich wie ein funkelnder Himmel in die Höhe. Ihre Blätter verbrannten nicht zu Asche, sondern wurden zu dichter, schattenhafter Dunkelheit. Dicke Wurzeln zogen sich als schwarz schimmernde Adern über den Boden, aus dem Astwerk hingen Lianen herab, die sich im stetigen Wind leicht bewegten, und dort, ein wenig erhöht auf einem geschliffenen, von glitschigem Moos überwachsenen Felsvorsprung, lag das Nest des Galkry. Feine Strähnen in mattem Gold zogen sich wie Lebensringe über das Gestein, verzierten die Wand hinter dem Vorsprung und glommen in Finsternis und Kälte.
    Vorsichtig näherten sie sich dem Nest und erklommen den Felsvorsprung. Mehrfach glitten ihre Füße an dem Moos ab, doch schließlich hatten sie es geschafft und knieten sich neben den seidenen Fäden nieder. Gleichzeitig zogen sie ihre Messer und sahen einander kurz in die Augen. Es war ein Moment der Gemeinschaft, den Nando erstmals in dieser Stärke empfand. Er nickte kaum merklich. Dann ergriff jeder von ihnen eine Strähne aus goldener Dunkelheit und trieb sein Messer hindurch. Augenblicklich verwandelten sie sich von schattenhaften Strähnen in feste, leicht ölige Seile. Erleichterung breitete sich in Nando aus, als er mit den anderen vom Felsvorsprung hinabkletterte, und er sah nur aus dem Augenwinkel, wie Paolo den Halt verlor. Erschrocken griff Riccardo, der ihm am nächsten war, nach seinem Arm, doch Paolo stolperte, stieß lautstark gegen eine Wurzel und schlug der Länge nach am Boden auf. Die Stille, die darauf folgte, währte nur kurz.
    Später wusste Nando nicht mehr, was er zuerst wahrnahm: das Bersten ihres Abwehrzaubers, die aus der Ferne zu ihnen dringenden Gesänge oder den markerschütternden Schrei des Galkry, das sich ganz in der Nähe herumwarf und mit donnernden Klauen durch den schmalen Tunnel zu seinem Nest raste – den einzigen Weg, der aus der Höhle hinausführte. Er erinnerte sich nur noch an seinen Atem, der plötzlich in der Luft gefror, und an die erschrockenen Gesichter der anderen.
    Instinktiv packte er Riccardo und Ilja an den Armen und riss sie hinter Paolo unter einen der Glutbäume, dessen Zweige wie bei einer Trauerweide weit hinabreichten. Sie standen da wie erstarrt, die Augen weit aufgerissen, fühlten den Boden unter den Tritten des Galkry erbeben – und sahen es schließlich aus dem Schlund des Tunnels brechen. Die Kälte, die von ihm ausging, schlug ihnen entgegen. Nur mit Mühe konnte Nando einen Laut unterdrücken, als sich seine Brust unter dem Hieb zusammenzog. Es bewegte sich rasend schnell, und erst als es sein Nest erreicht hatte und stehen blieb, konnten sie seine wahre Gestalt erkennen.
    Auf den ersten Blick ähnelte das Galkry einem mächtigen Keiler mit pechschwarzem Fell und Hauern, die weit über seine Schnauze ragten. Doch an Stelle der Hufe besaß die Kreatur Klauen mit langen, gebogenen Krallen, und acht Augen saßen spinnengleich über seinem Nasenbein wie blinde weiße Spiegel. Ein tiefes Grollen drang aus seiner Kehle, als es die abgeschnittenen Strähnen bemerkte und seine Schnauze tief in sein Nest grub.
    Paolo gab den anderen ein Zeichen. Eilig und so leise wie möglich schlichen sie auf den Tunnel zu. Nando schickte einen dreifachen Schutzzauber in seine Faust, unverwandt hielt er den Blick auf das Galkry gerichtet. Sie hatten den Tunnel gerade erreicht, als es den Kopf halb zurückwandte. Schwarzer Nebel kroch aus seinem Schlund, als es witterte, und Nando sah mit Schrecken, wie der

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