Nephilim

Dunst über den Boden auf sie zukroch.
    Mit einem Schrei schoss Riccardo einen flammenden Pfeil auf das Galkry, ehe sie sich herumwarfen und den Tunnel hinabrasten. Nando riss den Schutzwall in die Höhe. Er sah noch, wie die Kreatur dem Pfeil auswich, als hätte sie ihn durch die Dunkelheit kommen gefühlt, sich im Sprung um die eigene Achse drehte und ein Brüllen ausstieß, ehe sie die Verfolgung aufnahm. Donnernd schlug eine Feuersbrunst gegen den Schutzwall, Nando spürte die Erschütterung in sich widerhallen wie einen Schlag ins Gesicht. Ilja verstärkte seinen Zauber, während Riccardo sich nach Kräften bemühte, die messerscharfen Pfeile abzuwehren, die aus dem Fell des Galkry schossen und den Wall an vielen Stellen durchdrangen wie Nebel.
    »Hier entlang!«, rief Paolo, der mit gestrecktem Schwert voranlief, und bog in einen Gang ab, der zu schmal war, als dass das Galkry ihnen hätte folgen können. Mit einem zornigen Schrei brach es sich seinen Weg durch die Wand und jagte in einem parallel verlaufenden Tunnel dahin. Mit aller Kraft versuchte Nando, den Schutzwall aufrechtzuerhalten, doch das Galkry warf sich gegen die Wand und brachte einen Teil der Decke zum Einsturz. Gerade noch rechtzeitig wich Nando vor einem Felsbrocken zurück. Sein Wall war zerbrochen.
    »Lauft weiter!«, rief er, als die anderen auf der anderen Seite der Trümmer innehielten, und begann, über die Steine zu klettern. Er würde sie einholen, sie durften nicht riskieren, von fallenden Felsen getroffen zu werden. Ilja und Riccardo schüttelten wie auf Kommando die Köpfe, doch da raste ein großer Felsklumpen von der Decke auf sie zu. Nur knapp konnten sie vor ihm zurückspringen.
    »Macht schon!«, rief Nando. »Wartet am Ende des Tunnels, hier könnt ihr nichts tun! Beeilt euch, haltet die Decke aufrecht, ich bin gleich wieder bei euch!«
    Nach kurzem Zögern errichtete Ilja einen Schutzwall um sie, und sie setzten ihren Weg fort. Nando stolperte über die Felsen, er schlug sich die Knie auf, aber er spürte es kaum. Immer wieder erbebte die Erde von den Angriffen des Galkry, das wie von Sinnen die Wand des Tunnels attackierte, immer wieder musste er herabstürzenden Steinen ausweichen.
    »Warum hast du nicht besser aufgepasst?«, hörte er Ilja rufen und wusste, dass sie Paolo meinte. »Du wusstest doch, wie glatt der Felsvorsprung war, wie konntest du nur über deine eigenen Füße stolpern!«
    Nando sprang vor einem herabfallenden Stalaktiten zur Seite, endlich hatte er die Trümmer überwunden. So schnell er konnte, rannte er den Tunnel hinab, schemenhaft erkannte er die anderen an seinem Ende. Riccardo und Ilja sicherten die Wände der Höhle, in der sie sich befanden, vor den Angriffen des Galkry, während Paolo die Decke des Tunnels mit einem Zauber vor dem Einsturz bewahrte. Sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt.
    »Ich habe das Gleichgewicht verloren«, rief er gegen die donnernden Schläge des Galkry an. »Ihr habt selbst gemerkt, wie glatt der Felsen war! Es tut mir leid!«
    In diesem Moment schaute er den Tunnel herab, und in seinem Blick lag etwas, das Nando zurückstieß, etwas, das ihm die Luft abdrückte wie eine Klaue aus Eis. Donnernd schlug ein Teil der Decke hinter ihm ein, Gesteinssplitter flogen durch die Luft und rasten an seinen Wangen vorbei. Er stürzte, doch er ließ Paolo nicht aus den Augen, der langsam die Hände sinken ließ. Die anderen sahen ihn nicht an, sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihren eigenen Zauber aufrechtzuerhalten, und bemerkten nicht, wie Paolo seinen Schutzwall fallen ließ.
    »Beeil dich, Nando«, rief Paolo, und seine Stimme klang so ehrlich, so wahrhaftig besorgt, dass Nando der Atem stockte, als er ihm ins Gesicht sah. Ruhig schaute Paolo auf ihn herab, mit flackerndem Hass in den Augen, der auf der Stelle jede Maske von seinen Zügen fegte, und er lächelte mit hinterlistiger Grausamkeit.
    Die Erkenntnis flutete Nando wie ein Guss aus Eiswasser. Paolo hatte alles geplant. Deswegen hatte er ihn in seine Gruppe geholt, sich selbst als Anführer angeboten und Nando als Nachhut vorgeschlagen. Er hatte nicht aus Versehen das Gleichgewicht verloren. Er hatte es mit Absicht getan.
    Nando kam auf die Beine, doch da hob Paolo kaum merklich die Hand und warf einen Donnerzauber auf ihn zu. »Ich kann die Decke nicht mehr halten!«, rief er und trat aus dem Tunnel zurück. »Nando, du musst … «
    Im nächsten Moment explodierte der Donnerzauber wenige Schritte von Nando entfernt