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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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in den Flammen ein. Funken sprühten in die Luft, das Galkry warf sich herum und verschwand mit heiserem Schrei in der Finsternis seines Reiches.
    Nando wandte den Blick, denn nun näherten sich Schritte. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in die Dunkelheit, als sein Retter neben ihm stehen blieb und das Messer aus den Flammen nahm, ohne sich zu verbrennen. Er sah die feingliedrige weiße Hand, die die Waffe umschloss, und das lange schwarze Haar. Ein Name durchzuckte seine Gedanken, und noch ehe er sich auf seinen Lippen geformt hatte, erhellte der Schein des Messers das Gesicht seines Gegenübers. Vor ihm, die Augen pechschwarz und das Kinn stolz erhoben, stand Noemi.
    Wortlos ließ sie sich neben ihm nieder, fuhr wenige Fingerbreit über seinem verwundeten Bein durch die Luft und wirkte lautlos einen Heilungszauber. Vorsichtig half sie ihm auf die Beine. Für einen Moment schaute sie ihn an, schweigend und ohne zu lächeln, ehe sie einige Schritte zurücktrat und wartete, bis er ihr folgte. Dann drehte sie sich um und ging den Gang hinauf, mit erhobenem Kopf wie eine Königin.

29
    Nando lag mit offenen Augen in seinem Bett in der Akademie und starrte in die Finsternis. Es war mitten in der Nacht, er hatte die Vorhänge zugezogen. Nur schwach glitt das silbrigschwarze Licht Bantoryns unter ihnen hindurch in den Raum. Die Stadt schlief. Nando lauschte auf das leise Knarzen der beweglichen Brücken, das ihm schon so vertraut war wie der Wind vor seinem Fenster in Maras Wohnung, und dachte darüber nach, ob er Antonio von den Vorkommnissen in den Sümpfen der Schatten erzählen sollte. Einige Tage waren vergangen, seit er zusammen mit Noemi ans Ufer des Schwarzen Flusses gesprungen war. Schweigend waren sie durch die Schatten gelaufen, hatten das Sumpfboot Noemis bestiegen und waren damit nach Bantoryn zurückgekehrt, wo die anderen Novizen bereits versammelt waren. Nando erinnerte sich genau an die erstaunten Gesichter, an Riccardo und Ilja, die vor Erleichterung die Hände zusammenschlugen – und an Paolo. Nur für einen flüchtigen Moment war ein Schatten über dessen Gesicht geglitten, und Nando hatte die widerwärtige Scheinheiligkeit kaum ertragen, als Paolo ihm auf die Schulter geklopft und versichert hatte, dass er sich über die Maßen freuen würde, ihn zu sehen. Am liebsten hätte Nando ihm mit seiner metallenen Faust die Schneidezähne ausgeschlagen und ihn kopfüber in den Fluss geworfen. Doch er wusste, dass er damit nichts erreichen würde, außer das mühsam erarbeitete Vertrauen der anderen Nephilim aufs Spiel zu setzen. Also hatte er sich zusammengerissen und am Abend für Stunden auf der Geige gespielt, während Kaya neben ihm einen Furientanz vollführt hatte, um ihrem Zorn auf Paolo Luft zu machen.
    Er holte tief Atem. Direkt nach seiner Rückkehr hatte Antonio ihn gemustert, prüfend und durchdringend, als hätte er gespürt, dass mehr hinter Nandos Verletzungen steckte als die Jagd durch ein Galkry. Doch Nando hatte gelächelt, eine Maske auf sein Gesicht gezwungen und begonnen, Belanglosigkeiten von der Fahrt mit dem Sumpfboot und dem Fell des Galkry zu erzählen, während er die Strähne zwischen den Fingern gedreht hatte, um seine Aufregung zu verbergen. Er wusste, dass es niemandem half, wenn er Antonio die Wahrheit über Paolo erzählen würde. Es gab keine Zeugen, denn weder Riccardo oder Ilja noch Noemi hatten gesehen, wie Paolo seinen perfiden Plan in die Tat umgesetzt hatte. Vor einigen Stunden nun war Antonio gemeinsam mit Drengur und Althos in die Oberwelt gereist, um sich mit eigenen Augen von der zunehmenden Präsenz der Engel zu überzeugen, und Nando beschloss, ihm auch nach seiner Rückkehr nichts von den Geschehnissen zu berichten.
    Seufzend schlug er die Decke zurück und trat ans Fenster. Dichte Schwaden aus rotem Mohnstaub wehten durch die verlassenen Straßen, dass es fast aussah, als wäre Bantoryn eine Geisterstadt, und tatsächlich kam es ihm so vor, als steckte ein Eigenleben in diesen Mauern, mit dem Atem des Mohns, den Muskeln der stählernen Brücken und dem Blut ihrer Bewohner, die nun geschützt vom Nebel der Ovo in ihren Eingeweiden schliefen.
    Nando lehnte sich gegen die Scheibe. Die Kälte des Glases milderte den Kopfschmerz, der hinter seiner Stirn puckerte. Mehrere Stunden hatte er nach seiner Rückkehr aus den Sümpfen auf der Krankenstation der Akademie verbracht, war bei jedem Türenschlagen zusammengefahren, weil er damit gerechnet hatte, dass es

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