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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Peitsche in Nandos Blickfeld, wickelte sich um den Knöchel eines Mädchens von vielleicht fünf Jahren und brachte es zu Fall. Das Kind fiel so hart auf die Knie, dass sein Fleisch aufplatzte. Es schrie, als es sich zu dem Engel umwandte, der hinter ihm auftauchte, und auch Nando stockte der Atem. Lange, dunkle Haare umrahmten ein ebenmäßiges Gesicht, und in den Augen stand nichts als Gleichgültigkeit und Verachtung. Langsam trat der Engel näher. Die anderen Kinder waren verschwunden, doch das Mädchen lag da wie ein verwundetes Tier und starrte den Engel mit großen Augen an. Nando konnte den Blick in ihr Gesicht kaum ertragen. Sie wusste, dass sie sterben würde, wusste auch, dass der Engel sie weniger achtete als ein zertretenswertes Insekt, und doch schimmerte etwas wie Achtung in ihrem Blick, als wäre er ein soeben wahr gewordener Traum.
    Nando hörte das Zischen der Peitsche in der Luft, als der Engel sie zurückriss, er sah die plötzliche Furcht in den Augen des Mädchens – und im nächsten Moment glitt er an Antonio vorbei und stellte sich dem Engel in den Weg. Der Schmerz war heftig, als die Peitsche quer über seine Brust glitt. Das Mädchen hinter ihm ergriff die Flucht, und er sah in das zuerst erstaunte, dann kalt lächelnde Gesicht des Engels. Er stieß einen Schrei aus, so laut und durchdringend, dass Nando meinte, sein Trommelfell würde zerreißen. Im nächsten Moment war die Luft von Flügelrauschen erfüllt, das sich in rasender Geschwindigkeit näherte. Wieder zog der Engel seine Peitsche zurück, doch da traf ihn ein leuchtender Speer in die Brust und schleuderte ihn ein ganzes Stück weit die Straße hinauf, wo er keuchend liegen blieb.
    »Verfluchter Narr von einem Menschen!«, zischte Antonio und riss Nando mit sich. »Denkst du etwa, sie sind nur wegen des Marktes gekommen, ausgerechnet heute? Avartos sucht nach dir, er weiß, dass du bei mir bist! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er uns findet, solange wir nicht in Bantoryn angekommen sind, und du wirfst dich ihm in die Arme!«
    Nando atmete schwer, sie rannten so schnell über das Kopfsteinpflaster der Straße, dass sein Herz wie ein Dampfhammer in seiner Brust schlug. »Hättest du sie sterben lassen?«, rief er außer sich und spürte den Schauer, als Antonio ihm einen Blick zuwarf. Ja, genau das hätte er getan – Antonio, der Engel, hätte das Mädchen dem Tod überlassen.
    »Teufelssohn!«, rief da eine Stimme hinter ihnen, und allein ihr Klang brachte Nando dazu zusammenzufahren. Er wandte sich nicht um, aber er hörte, dass es Avartos war, der ihm mit seinen Schergen nachraste. »Flieh vor uns, Brut der Finsternis!«, rief der Engel und schickte ein Lachen hinterher, das ohne Weiteres aus selbiger hätte entspringen können. »Flieh, doch entkommen wirst du mir nicht!«
    Die Straße mündete in eine kleine Höhle – doch es gab keinen Weg mehr hinaus. Sämtliche Tunnel waren mit Rollsteinen verschlossen worden. Ohne Frage, die Bewohner dieser Gassen wussten, wie sie lästige Verfolger aufhalten konnten. Nando fuhr herum, er hörte das Knistern der Flammen, die Antonio zwischen seinen Fingern sammelte, und sah schreckensstarr, wie eine Welle aus Engeln sich aus der Gasse ergoss, aus der sie gekommen waren. Wie ein Schemen aus gleißendem Licht stürmte Avartos ihnen voran. Antonio schoss eine Feuersbrunst aus seinen Fingern, sie hüllte die Engel für einen Augenblick vollkommen ein. Doch gleich darauf brachen sie aus Qualm und Flammen hervor, und Nando meinte schon, Avartos’ Nägel in seiner Kehle zu spüren, als ein ohrenbetäubender Knall ihn zu Boden riss. Steine flogen durch die Luft, kurz sah er nichts mehr als flirrenden Staub. Dann erkannte er das Taxi, das quer in dem soeben eingerissenen Wandloch stand, und Giorgio, der wie verrückt aus dem heruntergelassenen Fenster winkte.
    »Beeilt euch!«, rief er mit sich überschlagender Stimme.
    So schnell sie konnten, rasten Antonio und Nando auf das Taxi zu, dicht gefolgt von grellen Blitzen, die nur knapp ihre Schritte verfehlten und die Steine zu ihren Füßen sprengten, und sprangen in den Wagen. Umgehend trat Giorgio das Gaspedal durch, mit quietschenden Reifen wendete er und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. Avartos schrie etwas in einer Sprache, die Nando nicht verstand, doch er hörte, wie die Engel ihnen nachjagten. Atemlos sah er aus dem Rückfenster und spürte, wie ihm beim Anblick der Übermacht seiner Verfolger das Blut aus dem Kopf wich. Immer

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