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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ein Schwamm das Wasser – und durch das Licht traten die Engel. Sie strömten aus den Öffnungen des Tunnels und rasten auf das Taxi zu.
    »Avartos«, zischte Giorgio und umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Genau hier wollte er uns haben!«
    Schon stürzte ein Engel auf sie nieder, landete auf der Kühlerhaube und krallte sich mit beiden Händen in das Metall, als bestünde es aus Papier. Blitzschnell stieß er die Faust nach unten und riss eine große Kapsel aus dem Motor, die mit rötlichem Licht gefüllt war. Mit einem höhnischen Lachen warf er sie auf die Haube, riss dabei die pinkfarbene Ente ab und ließ das Licht über den Wagen laufen, das sich zischend ins Metall fraß. Giorgio stieß einen Schrei aus.
    »Kleopatra!«, brüllte er außer sich, griff mit der Hand unter seinen Sitz und zog ein Schrotgewehr mit riesiger Trommel hervor. Ohne zu zögern, feuerte er durch die Windschutzscheibe auf den Engel, traf ihn in die Brust und schleuderte ihn von seinem Wagen. »Wir fahren nur noch mit halber Kraft«, sagte Giorgio wie zu sich selbst, und als wollte der Wagen eine Antwort darauf geben, verlangsamte er prompt seine Fahrt. Nando schlug der Wind ins Gesicht, eiskalt grub er sich in sein Fleisch. Antonio griff nach Yrphramars Geige, drückte sie ihm in die Hand und schwang sich durch die zerbrochene Scheibe auf das Dach. Knirschend gruben sich spitze Haken durch das Metall und sicherten seinen Stand, und gleich darauf ging ein Flackern durch die Luft. Züngelnde Flammen schlugen wie die Schlangenleiber auf dem Kopf einer Medusa in alle Richtungen des Tunnels aus und ergriffen etliche Engel, um sie gegen die Wände zu schleudern. Mit rauer Stimme brüllte Antonio Zauber in einer fremden Sprache.
    »Dort!«, rief Giorgio atemlos und deutete nach vorn. »Die Todeszone! Gleich sind wir … «
    Weiter kam er nicht, denn da donnerte eine schwarze Feuerkugel von hinten auf sie zu und hüllte den Wagen ein. Noch immer wirkte Antonio seine Zauber, doch kaum dass das Feuer erloschen war, jagte Avartos auf den Wagen zu. Nando fuhr zusammen, als der Engel auf dem Dach landete und eine tiefe Kerbe im Metall hinterließ, und er hörte Antonio schreien. Kurz war es still, dann krallten sich zwei Hände ins Dach und rissen Teile davon fort.
    Nando schrie auf, als er Avartos über sich hocken sah, doch ehe der Engel nach ihm greifen konnte, schlug Antonio ihm die brennende Faust ins Gesicht. Avartos glitt über den Rand des Daches, seine Beine schlugen gegen Nandos Fenster, während er Mühe hatte, sich wieder hinaufzuziehen. Erschrocken sah Nando, dass Antonio verwundet war: Mehrere tiefe Schnittwunden liefen über seinen Hals und seine Arme, und aus seiner Brust ragte ein schwarzer Pfeil.
    »Spiel!«, keuchte Antonio und deutete auf die Geige. »Denk nicht nach – tu es!«
    Nando starrte ihn an, doch da zog Avartos sich aufs Dach zurück, ballte die Faust und ließ sie auf Antonio niedersausen. Atemlos griff Nando nach der Geige, setzte den Bogen an und begann zu spielen.
    Noch nie zuvor hatte er auf diese Art musiziert. Es schien ihm fast, als wäre nicht er es, der den Bogen führte, und hatte er bei seinem Spiel mit Yrphramar noch gewusst, dass er die Geige in seinen Händen gehalten hatte, wusste er nun nichts mehr, als dass diese Musik unmöglich durch seine Finger entstehen konnte. Anfangs fürchtete er, jeden Augenblick durch einen schmerzhaften Schub in seinem Arm am Spiel gehindert zu werden, doch bald merkte er, dass diese Musik das nicht dulden würde. Wild war sie, ungezähmt und so vielgestaltig, dass es ihm schien, als würde eine Gestalt vor seinem inneren Auge entstehen, eine kleine, zierliche Gestalt mit großen, rapsfarbenen Augen und einem Lachen, das zart und kaum hörbar jeden Ton seines Spiels trug und durchdrang. Diese Musik, das spürte er, war mehr als nur Musik. Sie war aus den tiefsten Schluchten der Welt entstiegen, um sich von seinen Händen formen zu lassen zu dem, was sie sein konnte: die finsterste Nacht und der strahlendste Tag in einem einzigen Ton.
    Euphorisch zog er den Bogen über die Saiten und sah zu seinem Erstaunen, wie Avartos sich erschrocken die Hände an die Ohren presste, das Gesicht zu einer Maske aus Schmerz verzogen. Ein seltsames Geräusch drang durch die Musik zu Nando herüber, es war ein Laut wie zerbrechendes Glas, und er brauchte einen Moment, bis er begriff, dass es die Engel waren, die schrien. In einem Augenblick des Entsetzens

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