Neptuns Tochter 1
das Gegenteil der Fall war.
Langsam hob Timea Illay den Kopf, drehte ihr Gesicht zu Mika. Sofort wurde ihre Miene starr. »Brauchen Sie etwas, Frau David?«, fragte sie.
»Frische Luft«, grollte Mika und stürmte zur Tür hinaus. Wieso ließ sich Timea Illay nicht helfen? Sie müsste vor Mika ja nicht gleich ihr ganzes Herz ausschütten.
Mikas Schritte wurden behäbiger. Irgendetwas bedrückte Timea. Mika witterte Gemeinheiten, denn wenn dieser Kerl im Boot war, war das mehr als wahrscheinlich. Aber wenn Timea jetzt dachte, dass Mika einfach zuschauen würde, hatte sie sich geschnitten. Niemand durfte Timea Illay wehtun. Jeder, der es schaffte, diese stolze Frau fast zum Weinen zu bringen, hatte eine Strafe verdient.
Vor dem Haus stolperte Mika beinahe über Gernot Hampf.
»Hey Sie«, rief er, als Mika abdrehte und in die entgegengesetzte Richtung gehen wollte.
Mika blieb stehen, setzte ein freundliches Lächeln auf und ging auf Gernot Hampf zu. »Ja?«
»Sie sind doch aus dieser Villa gekommen«, fing er an.
»Und?«
»Dann kennen Sie Timea Illay?«
Wie es aussah, bemerkte Gernot Hampf nicht, wen er vor sich hatte. Obwohl Mika einen Flur seines Gebäudes unter Wasser gesetzt hatte, war sie ihm nicht wichtig genug, um sich an sie zu erinnern. Mika zog provokant eine Augenbraue nach oben. »Wer will das wissen?«
Ein Griff in die Sakkotasche, und Gernot Hampf überreichte Mika eine Visitenkarte. »Gernot Hampf«, sagte er und zeigte dabei eine Reihe strahlend weißer – bestimmt gebleichter – Zähne. Er machte einen auf freundschaftlich. »Sie können gern Gernot zu mir sagen, Frau . . .«
Und Sie können mich mal, dachte Mika immer noch lächelnd. »Rubinstein«, erwiderte sie. »Chantal Rubinstein.« Sie reichte ihm die Hand. »Sie können gern Chantal zu mir sagen.«
»Wissen Sie, Chantal«, fuhr Gernot Hampf fort. »Timea Illay und ich haben da eine kleine Meinungsverschiedenheit unter Freunden.« Er beugte sich verschwörerisch zu Mika. »Sie versteht nicht, dass ich es nur gut mit ihr meine.«
»Und wie kann ich Ihnen dabei helfen . . . Gernot?«, fragte Mika gespielt interessiert.
»Nun – sie hat da einen Großkunden, der sie über den Tisch ziehen will«, erklärte Gernot Hampf. »Das will sie mir einfach nicht glauben«, sagte er entrüstet. »Wenn Sie, Chantal, mir sagen könnten, was dieser Kunde ihr für Objekte angeboten hat, kann ich Timea garantiert helfen. Denn ich behaupte, dass da das eine oder andere Kuckucksei darunter ist.«
»Ach«, tat Mika zerknirscht, »da sind Sie wahrscheinlich bei mir an der völlig falschen Adresse. Ich arbeite nur für die ältere Frau Illay, Gernot. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Ich verstehe«, nuschelte Gernot Hampf. »Aber können Sie trotzdem darauf achten und mich anrufen, wenn irgendwann der Name Grossmann fällt? Das wäre schon eine kleine Hilfe.« Er strahlte Mika wieder an. »Ich werde mich auch erkenntlich zeigen, Chantal.«
»Gern doch, Gernot«, schmeichelte Mika gekünstelt. Sie hob die Visitenkarte in die Höhe. »Wenn ich etwas hören oder sehen sollte, das Ihnen . . . ich meine Timea Illay helfen könnte, melde ich mich.« Damit drehte sich Mika um und ließ Gernot Hampf stehen.
Vor einem Abfalleimer machte sie Halt. Das Stück Pappe in ihren Händen zerriss sie in winzig kleine Stücke und warf alles genervt in den Eimer. Wenigstens um diesen Ballast erleichtert marschierte Mika die Allee hinunter. Im Gegensatz zu sonst hatte sie für die Umgebung keinen Blick. Die Hände hatte sie tief in die Jackentaschen vergraben, ihre Backenzähne mahlten aufeinander.
Es gab jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder ihr Ex-Chef hatte recht, und diese Grossmanns waren Betrüger, oder er selbst wollte Timea über den Tisch ziehen. So, wie ich diesen Kerl einschätze, wohl eher das Zweite. Das Beste war, mit Timea zu sprechen. Daher ging Mika zurück zur Illayschen Villa. Das Auto von Gernot Hampf war inzwischen verschwunden. Gottseidank, denn noch einmal wollte ihm Mika nicht begegnen. Ihr Kiefer tat nämlich schon weh vom Dauergrinsen.
~*~*~*~
N achdenklich kehrte Mika von ihrer Flucht zurück. Eigentlich wollte sie erst in ihr eigenes Arbeitszimmer, um ihre Gedanken zu sortieren. Aber als sie sah, dass die Tür zu Timeas Büro offenstand, trat sie ohne darüber nachzudenken ein.
Es war wie ein Stich ins Herz, Timea so abwesend am Tisch sitzen zu sehen. Vor ihr lag ein Aktenordner, der offensichtlich
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