Neptuns Tochter 3
nach.
Sicherheitshalber entschloss sich Timea zu schweigen.
Petra Lorentz schmunzelte. »Ihnen ist das peinlich«, stellte sie fest. »Also muss es sich um höchst brisante Bücher handeln. Etwas Erotisches zum Beispiel. Oder . . .«
»Okay, Petra«, unterbrach Timea, ehe Petra weitere Möglichkeiten aufzählen konnte. »Ich gebe es zu. Ich besitze Liebesromane. Das heißt aber nicht, dass ich sie auch lese.«
»Auf keinen Fall«, stimmte Petra Lorentz zu. »Darum wollen Sie die Bücher auch aufheben. Weil Sie sie noch nicht gelesen haben.«
Timea legte das Blatt, das sie in Händen hielt, weg. »Ich muss noch ein paar Objekte bewerten, fällt mir ein«, sagte sie und rannte förmlich in ihr Büro.
Dort saß sie dann und tat genau nichts. Ihr Aufbruch war eine Flucht gewesen. Das gab Timea zu. Allerdings sollte sie für einen Kunden tatsächlich ein paar für einen Verkauf infrage kommende Häuser bewerten und ihm in den nächsten Tagen die Ergebnisse präsentieren. Sie öffnete die erste Mappe, schaute auf den Grundriss des Hauses, und schloss die Mappe wieder. Wenn sie nicht ihren guten Ruf aufs Spiel setzen wollte, sollte sie sich damit heute lieber nicht beschäftigen. Zu sehr lenkte sie das bevorstehende Gespräch mit Werner Grossmann ab. Über das Treffen mit Mika wollte sie erst gar nicht nachdenken.
Ehe Timea doch überlegen konnte, was sie heute Abend genau sagen wollte, steckte Petra Lorentz den Kopf zur Tür herein. »Ihre Großmutter beschwert sich, dass wir sie beim Umzug nicht helfen lassen. Bitte reden Sie mit ihr?«
Seufzend erhob sich Timea. »Großartig. Als hätte ich nicht genug um die Ohren«, murmelte sie.
»Es tut mir ja leid, Timea«, sagte Petra, »aber sie ist wirklich aufgeregt.«
»Schon gut«, wiegelte Timea ab. »Ich kläre das.« Sie richtete den Rücken gerade auf, atmete tief durch und machte sich mit großen Schritten auf ins Kaminzimmer.
»Ach«, wurde sie empfangen. »Meine Enkelin bequemt sich auch einmal hierher.«
»Ich habe gehört, dass du etwas ungehalten bist«, erwiderte Timea ruhig.
»Ich bin nicht etwas ungehalten«, sagte die Großmutter, »ich bin sehr ungehalten.« Ihre Lippen waren ein dünner Strich. »Seit Tagen ist eine Unruhe hier im Haus. Petra ist fast rund um die Uhr damit beschäftigt, Schränke auszuräumen, sauberzumachen und was weiß ich noch. Wenn du abends nach Hause kommst, hilfst du ihr oder treibst dich sonstwo herum.«
»Ja«, meinte Timea immer noch gelassen. »Das ist auch nötig, weil die Umzugsfirma am Mittwoch kommt und die Sachen in die neue Wohnung bringt.«
»Kannst du mir dann bitte verraten, warum ich dabei nicht helfen darf?«
Adrienn Illay stand kurz davor, ihre angeborene Ruhe zu verlieren. Timea hockte sich neben den Stuhl, in dem ihre Großmutter saß und griff nach deren Händen. »Es tut mir leid, Nagyi«, sagte sie, »aber ich habe Petra gebeten, dich mit all dem nicht zu belasten. Es wird dann noch stressig genug für dich.«
»Wenn ich mich nutzlos fühle, stresst mich das mehr«, verdeutlichte die alte Dame. »Ich habe schon Angst, dass ihr mich in irgendeine Decke wickelt und dann beizeiten in einen Umzugswagen packt.«
Timea richtete sich grinsend auf. Die Vorstellung war köstlich »Du übertreibst, Nagyi.«
»Vielleicht ein wenig«, lenkte die Großmutter ein. »Aber ich meine es ernst, Liebes. Ich würde auch gern etwas tun. Und nicht untätig herumsitzen.«
»Du kannst Petra vielleicht bei der Wäsche helfen«, überlegte Timea.
»Dabei kann ich nichts kaputtmachen. Oder?«
»Genau«, neckte Timea ihre Großmutter. »Hast du dich jetzt wieder beruhigt?«
»Das weiß ich noch nicht.« Augenscheinlich wusste das Adrienn Illay sehr wohl, denn ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Wenn ich mithelfe, komme ich auch auf keine dummen Gedanken«, bemerkte sie.
Timea wollte sich gerade auf den Weg zurück in ihr Büro machen. Stattdessen ließ sie sich in einem der Stühle nieder. »Was meinst du damit?«
»Ach«, meinte die Großmutter wieder völlig Herrin der Lage, »ich hatte mir überlegt, Mika einen Besuch abzustatten. Schließlich habe ich ihr noch nicht zur Verlobung gratuliert.«
Tausend Gedanken schossen durch Timeas Kopf; tausend Gefühle durch ihren Körper. Das passierte innerhalb von Sekundenbruchteilen. Dann hatte sich Timea gefangen. Sie musste sich mit der Tatsache abfinden, dass sie ständig würde mit Mika konfrontiert werden. Aus Zeitungen oder durch ihre Großmutter. Immerhin war die
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