Neptuns Tochter 3
verheiratet war«, gab sie schließlich zu.
»Wie jetzt? Wollen Sie damit sagen, dass . . .?«
»Genau, Timea«, sagte Petra. »Ich habe ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt. Über Jahre.«
»Das . . .« Timea war schockiert. Diese Neuigkeit brachte irgendwie ihr Weltbild ins Wanken. Petra Lorentz war für sie immer der Inbegriff von Integrität gewesen. Ein Vorbild. »Aber irgendwann haben Sie das doch beendet?«
»Nicht wirklich«, gestand Petra traurig. Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht. »Er ist gestorben«, sagte sie tonlos. Sie zog einen Stuhl heraus und setzte sich. »Wissen Sie, was das Schlimmste war?«, flüsterte sie.
Timea schüttelte den Kopf.
»Als er ins Krankenhaus gekommen ist, habe ich nichts mitbekommen. Und wenn, hätte man mir auch keine Auskünfte gegeben. Von seinem Tod habe ich aus einer Zeitung erfahren. Und bei seiner Beerdigung bin ich nicht mehr gewesen als jeder andere Gast. Ich musste meine Trauer verbergen.«
Der Schmerz, der aus diesen Worten sprach, schnitt Timea ins Herz. Sie sah eine junge Petra Lorentz vor sich. Wie sie an einem offenen Grab stand und so tun musste, als läge nur ein Bekannter darin. Wie sie nur wenige Augenblicke dort stehen durfte, weil der Platz daneben für die Witwe bestimmt war. Die Vorstellung verursachte einen dicken Kloß in Timeas Hals. »Das muss schrecklich für Sie gewesen sein«, sagte sie rau. Niemals wollte sie dasselbe erdulden müssen. Um sich auch selbst zu beruhigen, legte sie die Hände auf Petras Schultern.
»Ja. Aber es ist lange her.«
»Trotzdem«, meinte Timea mehr zu sich selbst. Sie drückte die Schultern leicht. »Haben Sie sich nicht gewünscht, dass Sie sich nie auf diese Affäre eingelassen hätten?«
Lächelnd drehte Petra Lorentz sich um. »Manchmal vielleicht«, gestand sie. »Aber ich bin froh, dass ich es getan habe. Die Zeit mit ihm ist nämlich mit die glücklichste in meinem Leben gewesen.« Sie stand auf. »Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Nein. Aber danke, dass Sie es mir erzählt haben«, flüsterte Timea.
Auch wenn Petra nahtlos zur Tagesordnung übergehen konnte – sie konnte es nicht. Die ganze Nacht hatte Timea gegrübelt, ob sie ihre Entscheidung nicht rückgängig machen sollte. Ob sie sich nicht weiterhin mit Mika treffen könnte. Unverbindlich.
Es gab den kurzen Moment letzte Nacht, an dem Timea dem Wunsch nachgeben wollte. Da entstand ein Bild vor ihren Augen. Schemenhaft erst. Dann immer deutlicher. Mika. Wie sie zu dem Mann an ihrer Seite »ja, ich will« sagte. Genau an diesem Punkt erkannte Timea, dass es nicht ging. Nicht sein durfte. Sie war schon lange über das Unverbindliche hinaus. Seit wann, konnte sie nicht sagen. Sie konnte aber sagen, dass sie die Reißleine ziehen musste, um nicht im freien Fall auf dem Boden aufzuschlagen. Diesmal, so fürchtete sie, könnte sie daran zugrunde gehen.
»Wann wollte Herr Grossmann eigentlich kommen?«, erkundigte sich Petra Lorentz hinter einer Schranktür.
Timea atmete tief durch. »Heute im Laufe des Nachmittags«, antwortete sie, froh um die Ablenkung, die Petras Frage bot.
»Ich frage mich, was er schon wieder will. Seine Möbel stehen doch schon für den Aufbau bereit«, murmelte Petra.
Noch eine Spur vorsichtiger als zuvor wickelte Timea die empfindlichen Gläser ein. »Er wollte sich ein paar unserer Möbel noch einmal anschauen. Jetzt, da das Einrichtungskonzept steht, bildet er sich ein, dass das eine oder andere Teil vielleicht doch hineinpassen könnte.« Das Treffen am Nachmittag wollte Timea auch nutzen, um sich Klarheit zu verschaffen. Nicht zu wissen, ob er es war, dem sie ihre Rettung vor Gernot Hampf verdankte, nagte an ihr. Obwohl es inzwischen bedeutungslos sein müsste. Für Timea war es das nicht.
»Woran denkt er denn dabei? Wissen Sie das?«, fragte Petra Lorentz.
»Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht es um die Bibliothek«, erklärte Timea.
»Apropos.« Petra Lorentz war mit dem einen Schrank fertig und ging zum Nächsten. »Ich habe gesehen, dass in Ihrem Schlafzimmer ein Karton ist, auf dem Bücher draufsteht. Soll der auch zur Bücherspende?«
»Nein«, bestimmte Timea sofort. »Da sind Romane drinnen, die ich mitnehmen möchte.«
Die heftige Reaktion brachte ihr einen neugierigen Blick von Petra Lorentz ein. »Romane?«, fragte diese mit hochgezogenen Brauen.
»Ja«, erwiderte Timea. Sie hoffte, dass es Petra dabei beließ.
»Welche Romane?«, hakte die allerdings umgehend
Weitere Kostenlose Bücher