Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
Meer, das bei aufkommendem Sturm auf die Küste traf. Beinah hätte sie sich die Hand verbrannt, als die heiße Flüssigkeit über den Rand schwappte. Zum Glück stellte sie die Tasse schnell genug ab, verursachte damit allerdings ein Geräusch, das ihre Großmutter leicht zusammenfahren ließ. »Entschuldige, Nagyi«, sagte Timea. »Ich muss das hier …«
Timea wollte aufstehen, wurde aber von ihrer Großmutter zurückgehalten. »Warte«, befahl sie streng. Unvermittelt wurde ihre Miene sanft, die Stimme weich. »Du bleibst, wer du bist, auch wenn du dir ab und zu helfen lässt. Du musst nicht immer die Einzelkämpferin sein.«
Seufzend erhob sich Timea. »Du erlaubst aber, dass ich ohne fremde Hilfe zu Bett gehe?«
»Sarkasmus steht dir nicht, Liebes«, hielt die Großmutter dagegen. »Und um auf Mika zurückzukommen«, nahm sie den Faden wieder auf, »wenn du mich fragst, hast du schlicht und ergreifend Angst vor ihren Gefühlen für dich.«
»Ach, und was bringt dich zu dieser Erkenntnis?«, fragte Timea nun wirklich sarkastisch.
Adrienn Illay stand auf und hielt sich leicht an der Stuhllehne fest. »Du redest dir ein, dass sie nicht von Dauer sind. Irgendwann wird es vorbei sein, denkst du. Also blockst du lieber vorher ab, damit du dann nicht leiden musst.«
»Ich bin eben realistisch«, verteidigte sich Timea.
»Nein, Timea«, widersprach die Großmutter. »Du bist feige. Und sonst nichts.« Mit einem bedauernden Kopfschütteln verabschiedete sie sich und ließ eine zutiefst verwirrte und nachdenkliche Timea zurück.
~*~*~*~
M ika spitzte die Ohren.
Das war doch ein Motorengeräusch. Nicht der Rasenmäher des Nachbarn oder ein Flugzeug hoch droben am Himmel.
Das Geräusch kam näher.
Das war hundertprozentig ein Motor.
Mika rannte zum Fenster. »Endlich«, flüsterte sie, als sie sah, wie das Auto ihrer Mutter vor dem Haus hielt. Fast wäre Mika über ihre Füße gestolpert, als sie lospreschte, um Patrizia David zu begrüßen und dabei schneller zu sein als ihr Vater.
»Pass auf Mika«, schimpfte ihre Mutter lachend, »du rennst mich noch um.«
Sofort blieb Mika stehen. Die eben noch ausgestreckten Arme verschränkte sie hinter dem Rücken. »Tschuldige, Mama«, nuschelte sie.
»Jetzt komm schon her«, sagte Patrizia David. Sie zog ihre Tochter in die Arme und drückte sie fest an sich. Automatisch schlossen sich Mikas Arme um ihre Mutter.
Mika genoss das sanfte Wiegen und den Halt, den ihr die Umarmung bot.
Viel zu bald schob Patrizia David ihre Tochter von sich. »Warum bist du hier? Was ist passiert?«, fragte sie.
»Was soll denn passiert sein?«, fuhr Adam David dazwischen.
»Keine Ahnung. Sagt ihr es mir«, forderte Patrizia David Mann und Tochter auf.
»Also …«, begann Mika.
»Lass deine Mutter erst ankommen«, wurde sie von ihrem Vater unterbrochen. Er gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange, hakte sie unter und führte sie ins Haus.
»Geht ruhig hinein«, rief Mika den beiden hinterher, als sie schon längst nicht mehr zu sehen waren. »Ich kümmere schon um das Gepäck.« Sie verdrehte die Augen und murmelte: »Das mach’ ich aber so was von gern.«
Ratlos schaute sie auf den Kofferberg. Im Geiste machte sie einen Plan. Wenn sie den großen Koffer nehmen würde, könnte sie zwei der kleineren daraufstellen und hätte dann gleich drei Teile auf einmal verfrachtet. Sie wollte sich schon bücken, stattdessen richtete sie sich noch mehr auf und stemmte die Hände in die Taille. »Der Herr der Schöpfung kann doch genauso gut anpacken«, murrte sie.
»Wie ich sehe, schwankst du zwischen Ich bringe die Koffer ins Haus und Ich werfe sie meinem Vater an den Kopf «, bemerkte Adam David vom Hauseingang.
»Der zweite Teil funktioniert nicht ohne den ersten«, erwiderte Mika und begann sogleich die ersten Gepäckstücke ins Haus zu transportieren. Dabei kam sie provokant nahe an ihren Vater heran.
Der trat keinen Zentimeter zur Seite, sondern hielt Mika kurzerhand fest. »Deine Mutter war jetzt sechs Wochen zur Erholung in diesem Kloster«, flüsterte er. »Mach es nicht schon am ersten Tag kaputt, Mikaela.«
»Wieso ich?«, gab Mika zurück.
»Es reicht, wenn sie von der Hochzeit erfährt. Mehr muss sie nicht wissen.«
»Hast du Angst vor deiner Frau, Papa?«, feixte Mika.
»Wir wollen doch beide nicht, dass sie sich aufregt. Oder?«, sagte Adam David mit düsterer Stimme.
»Wieso sollte sie sich aufregen?«, fragte Mika. »Es ist doch das Normalste der Welt, dass ein
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