Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
bist, Mama«, fiepte Mika, »müssen wir uns dann auf ganz viele un-s gefasst machen?«
Fragend hob ihre Mutter den Kopf.
» Un -gnädig, un -geduldig, un -verträglich, un -ausstehlich«, begann Mika aufzuzählen.
»Keine Angst mein Kind. Das habe ich nicht vor«, warf ihre Mutter beruhigend ein. »Mach dich aber darauf gefasst, dass ich mich in nächster Zeit etwas mehr darum kümmern werde, was meine Tochter so bewegt. Und darum, dass sie sich endlich mit ihrem Vater verträgt. Denn eure Kabbeleien sind sehr anstrengend und sorgen bei mir für – wie du es nennst – ganz viele un-s .« Sie nahm Mika in den Arm. Diesmal für länger. »Vielleicht kann ich dann verhindern, dass du noch einmal für ein paar Jahre aus unserem Leben verschwindest. Und dich nur hie und da meldest«, flüsterte sie.
»Ähm … ich …«, stammelte Mika schon wieder.
Ihre Mutter schob sie von sich und strich ihr sanft eine Strähne aus der Stirn. »Ist schon gut«, sagte sie. »Ich wollte dich nur darauf vorbereiten, dass ich mich in Zukunft mehr einmischen werde. Ob es dir gefällt oder nicht.«
~*~*~*~
E rwartungsvoll schaute Mika auf das Display ihres Handys. Sie schüttelte es. Legte es an ihr Ohr. Nichts. Es schwieg. Sie war versucht, es auf den Boden zu werfen. Sollte es ruhig in tausend Stücke zerspringen. Wer brauchte schließlich ein Teil, das nicht funktionierte. Denn andernfalls hätte es schon längst geläutet.
Riiing machte es plötzlich laut, und das Telefon fiel Mika aus der Hand.
»Sorry«, nuschelte es neben ihr nur halb zerknirscht, als Mika ihr Handy wieder schüttelte. Diesmal hatte sie Angst, dass es tatsächlich kaputt sein könnte. Dann könnte Timea sie nicht erreichen. Wo sie doch versprochen hatte, dass sie sich melden würde. Irgendwann. Im Laufe des Tages.
Der junge Mann, der neben ihr bei dem Eiswagen gewartet hatte und der Schuld an dem Unfall war, grinste Mika schief an und nahm den Anruf entgegen. »Hey Süße, ich bin hier gleich dran.«
Die Süße schien ihm etwas Aufregendes ins Ohr zu flüstern, denn er wurde auf einmal knallrot. Er nickte ein paar Mal – als ob die Süße das sehen könnte – flüsterte »ich weiß, dass du kein Pistazieneis magst« – und legte auf. Nicht ohne einen Kuss in die Weiten der Atmosphäre zu hauchen und anschließend sein Smartphone voll cool in der Gesäßtasche verschwinden zu lassen.
Mika war neidisch. Nicht auf das Hightech-Telefon des Teenagers; für ihre Zwecke tat es auch ihr bereits in die Jahre gekommenes. Nein. Sie war neidisch, weil sie nicht wusste, ob Timea Pistazieneis mochte.
»Was darf’s sein?«, fragte der Eisverkäufer.
»Wie viele Eissorten haben Sie eigentlich hier?«, fragte Mika ihrerseits. Das ungeduldige Gemurmel hinter sich quittierte sie mit einem freundlichen Lächeln. »Sie können gern vorgehen«, bot sie an und machte umgehend Platz. »Ich bin noch am Überlegen, ob ich eine wissenschaftliche Studie machen soll, bei der die Vorlieben einer bestimmten Frau in Bezug auf Gefrorenes getestet werden – oder eben nicht«, erklärte sie der älteren Dame, die es offensichtlich eilig hatte und Mika daher auch keine Hilfe bei ihrem Entscheidungsfindungsprozess war.
»Ich würde es sein lassen«, erklärte stattdessen die Mutter mit dem Kind am Arm. »Das Zeugs macht nur dick.« Sie drehte sich ein wenig. »Wie Sie an mir sehen können.«
»Wieso? Sie sehen doch prima aus«, erwiderte Mika, nachdem sie die Frau eingehend gemustert hatte.
»Erklären Sie das mal meinem Mann.«
Fasziniert schaute Mika zu, wie die Frau das Kind auf der Hüfte balancierte, gleichzeitig ihre Bestellung aufgab, bezahlte und verhinderte, dass ihr Kind nach dem Eis griff. Mika schnitt dem Kind – sie taufte es Maxi, weil nicht klar war, ob es ein Junge oder ein Mädchen war – Grimassen. Ein wenig flirtete sie sogar mit ihm.
»Haben Sie Kinder?«, fragte die Mutter, während sie den Geldbeutel wegsteckte.
»Nein«, sagte Mika, machte dicke Backen und riss die Augen weit auf.
Maxi gluckste.
»Ich hab’ auch nicht vor, welche zu bekommen«, erklärte sie der Mutter.
»Na dann«, meinte die kurz angebunden, nickte Mika zu und verschwand mit Maxi.
Mika winkte den nächsten Kunden an sich vorbei. Ihr war die Lust auf Eis vergangen. Sie musste nachdenken. Das ging am besten drüben im Park. Timea würde sich sowieso nicht so bald melden, denn ihre Arbeitstage gingen üblicherweise sehr lange. Daher hatte Mika genügend Zeit.
Im
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