Neptuns Tochter (Gesamtausgabe)
aus ihrem Arbeitsleben zum Besten gegeben hatte. Dabei hatte es Mika tatsächlich geschafft, dass Timea auch ein wenig von sich selbst preisgegeben hatte. Kleinigkeiten nur, aber Timea merkte, dass es gutgetan hatte, über ihre Eltern zu reden.
Immer noch lächelnd fuhr Timea den Computer herunter. Morgen war auch noch ein Tag fürs Arbeiten. Auf dem Weg in ihr Schlafzimmer begegnete ihr ihre Großmutter.
»Wieso bist du noch auf, Nagyi?«, fragte Timea erstaunt.
»Du hast doch heute einen Termin mit Werner Grossmann gehabt«, stellte die Großmutter fest, »und hast mir noch nicht erzählt, was ihr besprochen habt.«
»Er hat mich gebeten, zwei Zimmer auszuräumen, weil nächste Woche die ersten Möbel geliefert werden.« Die Bitte hatte Herr Grossmann freundlich, aber bestimmt formuliert. So, dass Timea im Grunde keine Wahl geblieben war als zuzustimmen.
»Welche?«
»Egal«, sagte Timea. »Sie sollen nur als Zwischenlager fungieren.«
Die Großmutter tastete nach Timeas Hand. »Lass uns in die Küche gehen. Ich habe Lust auf einen heißen Grog.«
»Alkohol ist keine Lösung, Großmutter«, bemerkte Timea.
»Das weiß ich auch«, machte die alte Dame klar. »Aber in meinem Alter muss man manchmal härtere Geschütze auffahren, um die Nerven zu beruhigen.«
Am liebsten hätte sich Timea in ihr Büro geflüchtet und Mika angerufen; um die Unbeschwertheit der letzten Stunden zurückzuholen. Aber es ging nicht. Mika schlief vermutlich schon. Außerdem – warum sollte Timea sie mit ihren Sorgen und Nöten belasten? Darum musste sie sich schon selbst kümmern.
»Das alles hier wird dir langsam zu viel, Nagyi. Stimmt’s?«, stellte Timea leise fest.
Sie waren mittlerweile in der Küche angelangt. Wortlos ging die Großmutter zum Esstisch, setzte sich und wartete, bis sie sich offenbar sicher war, dass Timea den Grog zubereitete. »Mach dir keine Gedanken, Liebes«, sagte sie. »Das fühlt sich zwar seltsam an, ist aber nichts, womit ich nicht umgehen könnte.« Ihre Lippen kräuselten sich leicht. »Außerdem bringt das Bewegung in mein Leben. Und das ist besser, als nur so dahinzuvegetieren.«
Timea hockte sich neben ihre Großmutter. »Manchmal frage ich mich, wie du das schaffst. Egal, was passiert, du verlierst nie die Beherrschung.«
»Das ist die Gelassenheit des Alters, Kind. Und ab und zu ein Schnäpschen oder so«, erwiderte die alte Dame. »Vor sechzig Jahren war ich aber viel heißblütiger. Das kannst du mir glauben.« Ihr Gesicht begann zu strahlen.
Kopfschüttelnd und gleichzeitig grinsend erhob sich Timea. Sie wollte ihre Großmutter in ihren offensichtlichen Erinnerungen nicht stören, ging zur Anrichte und machte den Grog und einen Tee für sich selbst fertig.
»Hast du eigentlich herausgefunden, ob dieser Grossmann dafür gesorgt hat, dass du doch noch einen Kredit bekommen hast?«, fragte die Großmutter, nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatte.
»Nicht ganz.« Timea kaute an der Unterlippe. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er es war.«
»Warum?«
»Er hat ein paar Andeutungen gemacht.«
»Andeutungen?«
Spätestens jetzt würde Mika aus der Haut fahren , dachte Timea. Ob sie ihre Großmutter darum bitten sollte, in ganzen Sätzen zu sprechen?
»Wenn du damit fertig bist, Kreise auf die Tischplatte zu malen, kannst du mir gern antworten, Timea«, forderte Adrienn Illay ihre Enkelin freundlich auf. Falls sie sich über Timea amüsierte, ließ sie sich nichts anmerken.
»Er hat gemeint, dass es heutzutage leicht ist, einen Kredit zu bekommen. Man muss den Banken nur in Aussicht stellen, irgendwann den großen Reibach zu machen. Und schon lassen sie sich auf die seltsamsten Geschäfte ein«, erinnerte sich Timea an das Gespräch mit Werner Grossmann.
Er war rot geworden und hatte sofort das Thema gewechselt. Hatte von diversen Innenarchitekten erzählt, von den Plänen, die er mit der Villa Illay hatte und so weiter. Wirklich zugehört hatte Timea ihm nicht mehr, weil sie das nicht interessierte. Für sie waren in dem Moment nur zwei Überlegungen von Bedeutung gewesen. Erstens: Werner Grossmann hatte sich womöglich verraten. Zweitens – und davon wäre Timea gern zu hundert Prozent überzeugt: Niemand sonst hatte in ihr Leben eingegriffen.
»Und wenn er es doch nicht gewesen ist?«, fragte die Großmutter nachdenklich.
»Er muss es gewesen sein«, hielt Timea an ihrer Hoffnung fest.
»Hast du schon mal daran gedacht, dass Mika etwas damit zu tun haben
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