Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
Vom Netzwerk:
und originelle Bartformen. Zu ihnen gehörte nicht nur der Phreak-Gottvater John »Cap’n Crunch« Draper, sondern auch die Apple-Gründer Steve Wozniak und Steve Jobs, die zu dieser Zeit selbst noch »Blue Boxes« verkauften, mit denen man kostenlos (und illegal) telefonieren konnte. Der Hobbyistenverein war wohl der erste Hacker-Club der Welt und zweifellos auch Vorbild für die Gründung des deutschen Chaos Computer Clubs etwa sechs Jahre später. Auch der in Kapitel zwei bereits erwähnte Brandbrief des jungen Bill Gates über den »Diebstahl« seiner Basic-Version richtete sich explizit an die Mitglieder des Homebrew Computer Clubs.
    Es gab eine Menge Überlappungen zwischen Hippie- und Hacker-Kultur im amerikanischen Westen, zwischen Spitzenforschungseinrichtungen, Computerfans, LSD-Konsumenten und Blumenkindern. Das Bekenntnis der Hippie-inspirierten »Peoples Computer Company« (PCC), die die erste Hobbyistenzeitschrift herausgab, lautete: »Computer werden hauptsächlich gegen, statt für die Menschen eingesetzt, benutzt, um Menschen zu kontrollieren, anstatt sie zu befreien; es ist Zeit, all das zu verändern.«
    Wenige Jahre später wurden mit den ersten echten Heimcomputern – dem Apple II, dem Commodore PET und dem TRS-80 von Tandy – tatsächlich die digitalen Produktionsmittel in die Hände der Normalbürger gegeben.

Deutschlands Alternative und die Angst vor dem Rechner
     
    In Deutschland studierte Wau Holland derweil die in den Kreisen dieser kalifornischen Hacker geborene Hippiezeitschrift »CoEvolution Quarterly« und Phreaker-Postillen wie das stets am Rande der Legalität operierende Blättchen »TAP«, das konkrete Anleitungen zur Überlistung der US-Telefonnetze enthielt. Holland beschloss, dass hier nun wirklich die Möglichkeiten zu einer positiven Umgestaltung der Gesellschaft vorlagen. Ohne jedoch viele seiner damaligen Mitstreiter mitnehmen zu können auf diesem Weg.
    Während sich in Kalifornien der Geist der Hippies und die Leidenschaft der Hacker für das Basteln und Programmieren miteinander verbanden und eine fruchtbare Melange ergaben, pflegten weite Teile der deutschen linksalternativen Szene eine grundsätzliche Skepsis, ja Abneigung gegen jede Art von technologischem Fortschritt. Computer galten den Achtundsechzigern und ihren Nachfolgern als Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrumente, man assoziierte sie mit Rasterfahndung, Überwachung und technokratischer Kontrolle der Bevölkerung. Die Diskussion über die Volkszählung, die in den Achtzigern so heftig geführt wurde, war immer auch eine Diskussion über digitale Datenbanken und die Möglichkeit, dass sie staatlicherseits missbraucht werden könnten.
    Weitgehend vergeblich forderte der CCC, ganz im Geiste der People’s Computer Company, die »Wiederaneignung der Technik«. Wau Holland predigte: »Die sozialen Bewegungen, die sich vernetzen, rütteln am System«, und nahm damit die digital organisierten Globalisierungskritiker der kommenden Jahre vorweg. Doch Deutschlands Linke waren noch längst nicht so weit. Jedenfalls in weiten Teilen. Zwar entstanden schon Mitte der Achtziger erste linke Mailboxen, hauptsächlich auf Basis einer Software namens Zerberus, die sich zum sogenannten Z-Netz zusammenschlossen. Seit Beginn der neunziger Jahre wurden sie mit dem CL-Netz in eine größere Infrastruktur eingebunden, die vor allem von Menschen aus dem linken Spektrum, von Mitgliedern der Friedensbewegung, Anti-Atomkraft-Gruppen, Amnesty International und anderen Organisationen zum Informationsaustausch und für Diskussionsforen genutzt wurden. Doch öffentliche Aufmerksamkeit erreichten diese Anstrengungen kaum.
    Der größte Coup gelang 1989, als Bürgerrechtsaktivisten aus der DDR kritische Texte und Demonstrationsaufrufe über das CL-Netz in den Westen schmuggelten: Für einen Moment hatte digitale Technologie einen Spalt in den Eisernen Vorhang gerissen. 1994 hatte das CL-Netz Schätzungen zufolge in ganz Europa 20 000 Teilnehmer. Das Internet nutzten damals bereits Millionen Menschen. 1996 entschied man, sich vom Internet »abzugrenzen« und »auf eigene Strukturen« zu setzen. Damit wurde das linke Netzwerk innerhalb weniger Jahre obsolet, die meisten Nutzer wanderten zu anderen Angeboten ab. Heute existiert das CL-Netz als wenig beachtetes Webforum weiter. Verdient gemacht haben sich um die digitale Linke auch die Medienkünstler Rena Tangens und padeluun, die mit dem CL-Netz zu tun hatten und später mit dem »Big

Weitere Kostenlose Bücher