Nerd Attack
Brother Award« eine bis heute international beachtete Schelte-Institution für Datenschutzsünder schufen.
Im Vergleich zu den Linksalternativen im Bundestag waren die Gründer und Mitglieder dieser linken Netzwerke ihrer Zeit weit voraus. Noch in der zweiten Hälfte der Achtziger weigerten sich die Grünen, an einem Modellprojekt teilzunehmen, in dessen Rahmen Bundestagsabgeordnete mit vernetzten Rechnern ausgestattet werden sollten. Der CCC hatte ihnen in einem eigens bestellten Gutachten dringend empfohlen, sich diese Technologie anzueignen und deren Vorteile in ihrem Sinne zu nutzen, doch die missionarischen Hacker stießen damit auf eine unüberwindbare ideologische Barriere. »Wenn die Grünen diese von unten kommende Entwicklung ideologisch ignorieren oder verbieten, blockieren sie gleichzeitig die Chance einer praktischen Entwicklung alternativer Nutzungsformen«, mahnten die Autoren vom CCC. »Selbst die Fantasie der sogenannten Alternativ-Szene«, hieß es in der Studie weiter, sei »kaum in der Lage, das Medium Computer mit eigenen Bedürfnissen zu verbinden«. Daran sollten auch die Bemühungen der Berater aus dem Club vorerst nichts ändern.
Als die Studie der Bundestagsfraktion der Grünen vorgestellt wurde, verließen die ersten Abgeordneten schon nach Minuten entnervt den Saal. Von der Überzeugung, dass digitale Technologie von Übel und prinzipiell abzulehnen war, ließen sich Deutschlands linksalternative Parlamentarier nicht abbringen. Die Bundestagsfraktion der Grünen war die einzige, deren Büros nicht mit ISDN-vernetzten Rechnern ausgestattet wurde. Ausgerechnet den Konservativen im Bundestag, der schwarz-gelben Regierung unter Helmut Kohl, fiel somit die Aufgabe zu, die Weichen für die digitale Zukunft zu stellen. Auch sie aber taten so gut wie nichts – außer 1986 ein Anti-Hacker-Gesetz zu verabschieden, das Einbruch in Computersysteme und Datendiebstahl unter Strafe stellte.
Hippie-Impresario Stewart Brand, der Herausgeber des »Whole Earth Catalog«, schrieb im Jahr 1995 einen rückblickenden Artikel für »Time«, in dem er eine ganz andere Beobachtung ins Zentrum stellte. Unter der Überschrift »Wir verdanken alles den Hippies« war da zu lesen: »Vergesst die Antikriegsdemonstrationen, Woodstock, sogar die langen Haare. Das wahre Erbe der Generation der Sechziger ist die Computerrevolution.«
Der Chaos Computer Club: BTX, Wau und VAXen
Der KGB-Hack war nicht die erste spektakuläre Tat deutscher Hacker. Bereits 1984 hatte der damals noch nicht einmal als e. V. verfasste Chaos Computer Club mit einer anderen Aktion von sich reden gemacht, die ironischerweise mehr Geld eingebracht hätte, als die KGB-Hacker jemals verdienten mit ihrem Geheimnisverrat. Mit Hilfe eines unter mysteriösen Umständen erlangten Passwortes loggten sich die CCC-Hacker in die BTX-Mailbox der Hamburger Sparkasse HaSpa ein. Anschließend brachten sie ein Programm zum Laufen, das nur eine einzige Aufgabe hatte: eine gebührenpflichtige Seite innerhalb des BTX-Angebots, das der CCC selbst betrieb, aufzurufen. Und zwar immer wieder, für einen Obolus von 9,97 D-Mark je Zugriff, alles in allem 13 500-mal. Eine Nacht lang ratterte der Computer und fiepte der Akustikkoppler – und am nächsten Morgen war der Chaos Computer Club, rein theoretisch, um rund 135 000 D-Mark reicher.
Die deutschen Hacker fühlten sich jedoch einer weitergehenden Ethik verpflichtet als den Regeln von Steven Levy: Sie kündigten umgehend an, das Geld zurückzuschicken, sobald es auf dem CCC-Konto eingehen würde. Es sei ihnen nur darum gegangen, die Schwachstellen des BTX-Systems offenzulegen. Tatsächlich ging es wohl nicht zuletzt darum, dem BTX-Betreiber, der Deutschen Bundespost, eins auszuwischen, und um den puren Spaß am digitalen Unfug. Der Staatsmonopolist galt den Hackern um Holland als Inbegriff von Technokratie, kreativitätshemmendem Zentralismus und staatlich gelenkter Gängelung. Wer beispielsweise einen Computer über einen Akustikkoppler ans Telefonnetz anschloss, machte sich damals tatsächlich strafbar – außer er benutzte ein von der Post gemietetes Gerät. Es soll noch heute Hacker geben, die einen eingerahmten Haftbefehl »wegen Anschließens eines Modems an das Telefonnetz« an der Wand hängen haben.
Im CCC-Jargon hieß die gelbe Post »der Gilb«. Die CCC-Hacker hatten sehr konkrete, durchaus theoretisch begründete Vorbehalte gegen den neuen Online-Dienst des Monopolisten. Zum Beispiel, dass es für
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