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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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Macintosh-Computer steuerte. NuPrometheus fertigte Kopien des proprietären Codes an und verschickte Disketten mit der Software an diverse Personen, die mehr oder weniger eng mit Apple zu tun hatten, aber nicht selbst für den Konzern arbeiteten. Nutzen konnte aus der Tat wohl kaum jemand ziehen – schließlich war die Software eigens für Hardware aus dem Hause Apple geschrieben worden. Doch die Verbreitung des Diebesgutes war eben ein weiterer symbolischer Akt, ganz im Sinne von Levys Hacker-Ethik: »Alle Information soll frei sein.«
    Die Tatsache, dass der Täter sich ausgerechnet nach dem Halbgott Prometheus nannte, der der griechischen Mythologie zufolge den Göttern das Feuer stahl und es den Menschen brachte, spricht einerseits für eine gewisse Hybris – andererseits aber auch für eine Haltung gegenüber der Firma mit dem Apfel, die an Verehrung grenzt. Apple jedoch reagierte auf die ungefragte Verteilung eines Stückes Software aus den eigenen Schatzkammern schnell und kompromisslos: Man bat das FBI um eine Untersuchung des Falles. Bis heute ist Apple alles andere als zimperlich, was den Schutz der eigenen Interessen vor Ideendieben angeht. Daran hat auch die Rückkehr von Steve Jobs an die Unternehmensspitze nichts geändert.
    Im Falle NuPrometheus aber ging das FBI augenscheinlich zu weit. Weil man nicht genau wusste, an wen die ominösen Briefe mit dem Software-Schnipsel gegangen waren, statteten FBI-Agenten einer ganzen Reihe von Menschen überraschende Besuche ab, die irgendwie mit dem Konzern oder seinen Mitarbeitern in Verbindung standen. Darunter war auch John Perry Barlow, ein Althippie, Songtexter, ehemaliger Rinderfarmer, Teilzeitjournalist und zu diesem Zeitpunkt bereits bekannter Bewohner des frühen amerikanischen Cyberspace.
    Barlow ist ein Mann, der in keine Schublade passt: Er hatte seit 1970 für The Grateful Dead Songtexte geschrieben, mit Verve die Hippiekultur der siebziger Jahre genossen, war eigenen Angaben zufolge einmal mitten in einem LSD-Trip von der Polizei verhaftet worden. Er hatte sich Mitte der Achtziger aber auch einmal um eine Kandidatur für den Senat seines Heimatstaates beworben – als Republikaner. Kurz darauf entdeckte er die von Stewart Brand und seinen Hippiefreunden ins Leben gerufene Online-Plattform namens »The Well« (Whole Earth ’lectronic Link) und stürzte sich mit Begeisterung auf dieses frühe Forum der digitalen Welt. Er beteiligte sich enthusiastisch an den dort stattfindenden Debatten und wurde schnell zu einer der prominenteren Persönlichkeiten in der aus einigen tausend Menschen bestehenden Gemeinde von Freigeistern, Althippies, Sozialrevolutionären und Computerfreaks – wobei ihm sein Talent für den Umgang mit Sprache zweifellos zugute kam.
    The Well war in etwa das, was man heute ein Forum nennen würde: Es gab Unterseiten für bestimmte Themen, von »Agriculture« bis »Writers«, von »Telekommunikationsrecht« bis zu »Spiritualität«, eigene Diskussionsgruppen für Waffennarren ebenso wie für Homosexuelle. Allein für Fans von The Grateful Dead existierten dort Anfang der Neunziger sechs dieser »Konferenzen« genannten Themenportale. Jeder, der den Mitgliedsbeitrag bezahlte, konnte sich über Computer, Telefon und Modem mit einem eigenen Login-Namen und Passwort in die digitale Debattenarena einwählen – wenn gerade einer der wenigen Plätze frei war. Bis Herbst 1989 hatte The Well 20 Telefonleitungen, das heißt, 20 Nutzer gleichzeitig konnten online sein. Im November ’89 erhöhte ein Software-Upgrade diese Zahl auf 64. Innerhalb jeder einzelnen Konferenz gab es eine Vielzahl einzelner Diskussionsstränge, die Teilnehmer konnten mitlesen, sich einmischen oder selbst eine neue Diskussion über ein beliebiges Thema starten. Es gibt kaum ein Buch oder einen Artikel über die Anfänge des Internets und die Ursprünge digital vermittelter Kommunikation, in denen The Well nicht eine prominente Rolle spielt. Möglicherweise wird die Bedeutung der Plattform überschätzt, angesichts von über hunderttausend anderen Mailboxen in den USA, und angesichts der Tatsache, dass The Well 1990 nur 4000 bis 5000 regelmäßige Nutzer hatte. Doch überproportional viele dieser Nutzer waren Journalisten und Autoren, die ihre ersten Erfahrungen mit dem Cyberspace dort machten und anschließend begeistert darüber schrieben – etwa Howard Rheingold, dessen Buch »The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier« dem Stanford-Professor

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