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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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aber auch, weil sich endlich wieder jemand für ihn interessiert, macht er mit. Polizei und Verfassungsschutz bekommen Wind von dem, was Koch den beiden berichtet. Obwohl sich die Geschichten im Nachhinein zum Großteil als erfunden erweisen, gerät er ebenfalls ins Blickfeld des Geheimdienstes.
    Nach einiger Zeit und einigen Wirrungen, in denen die beiden NDR-Journalisten, die Redaktion des ARD-Magazins »Panorama« und der Verfassungsschutz teils wenig rühmliche Rollen spielen, sagen sowohl Pengo als auch Koch vor Verfassungsschützern aus. Der unter Psychopharmaka stehende Koch wird immer wieder stundenlang verhört und anschließend für weitere Verhöre ans Bundeskriminalamt (BKA) weitergereicht. Im Detail kann man die Geschichte im »23«-Buch von Schmid und Gutmann nachlesen. Die Verhöre, der Druck, seine Drogenabhängigkeit, die Medikamente und die Psychose setzen Karl Koch in dieser Zeit massiv zu. Pedro sagte später über »Hagbard«, der auf Wunsch der Behörden seine Kumpane aushorchen soll: »Seine Illuminatenscheiße verwandelte sich jetzt in Wirklichkeit.«
    Am 1. März 1989 werden Pedro, Pengo, Urmel, DOB und auch Karl verhaftet. Letzterer kommt allerdings innerhalb von Stunden wieder frei, da er als Kronzeuge aussagen soll. Am Abend läuft in der ARD der »Brennpunkt«, in dem »Panorama«-Chef Joachim Wagner den KGB-Hack mit der Guilleaume-Affäre vergleicht.
    Der Hamburger Chaos Computer Club, mit dem die Öffentlichkeit die Hannoveraner Hacker automatisch assoziiert, steht nun vor einem weitaus größeren Problem als je zuvor. Diesmal nämlich scheinen alle Vorwürfe berechtigt – und dass man von den Aktivitäten der Vax Busters nichts gewusst hätte, kann in der Hamburger Schwenckestraße niemand wirklich behaupten. Dass Urmel und die anderen jedoch Informationen an den KGB verkauft haben, wusste in der CCC-Spitze niemand. Für Wau Holland ist dies der Sündenfall. »Das sind keine Hacker«, sagt er, entscheidet spontan, den Kontakt zu den Beschuldigten sofort abzubrechen.
    Später betrachtete Holland diesen Schritt als großen Fehler. Schmid und Gutmann sagte er: »Egal, mit was für finsteren Situationen man zu tun hat, es ist grundsätzlich der falsche Weg, Kommunikation abzubrechen, da muss man weitermachen. « Er machte sich auch deshalb Vorwürfe, weil er das Ganze nicht verhindert hatte. Im Gespräch mit Schmid erinnerte er sich, dass es zu Beginn der KGB-Hacks eine Art Hilferuf aus Hannover gegeben habe, er aber aus Zeit- und Geldmangel nicht hingefahren sei: »Jetzt im Rückblick war das einer der Punkte, wo ich noch hätte Einfluss nehmen können und sagen können: Da lasst mal lieber die Finger von!« Für Kochs Überzeugung, man könne der Welt nur den Frieden bringen, wenn man auch dem Ostblock freien Zugang zu Informationen verschaffe, bekundete Holland zwar durchaus Sympathie, hielt ihn rückblickend aber doch für »ein bisschen naiv«: »Man bringt nicht Computer in den Osten, indem man irgendwelche Tapes an den KGB verkauft, sondern indem man sie an Bürgerrechtler und Aktivisten verteilt. Das wäre meines Erachtens der richtige Weg gewesen.«
    Urmel, DOB und Pedro landen in Untersuchungshaft und werden im Februar 1990 zu Bewährungsstrafen verurteilt. Während des Prozesses wird viel gelacht, weil das Gericht augenscheinlich nicht versteht, worüber hier überhaupt verhandelt wird. »Der Vorsitzende, Leopold Spiller, 53, bittet die Angeklagten, als wären sie Sachverständige, um Informationen über die Fach-Termini«, berichtet Giesela Friedrichsen im SPIEGEL. Das Gericht befindet schließlich, dass »nachweisbarer erheblicher Schaden weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für die Vereinigten Staaten von Amerika festzustellen war«.
    Karl Koch ist zu diesem Zeitpunkt schon tot. Am 30. Mai 1989 findet die Polizei seine verkohlte Leiche in einem Wald bei Gifhorn. Vermutlich hat Koch sich am 23. Mai, einem Datum, mit dem »Illuminatus«-Fans und Verschwörungstheoretiker zahlenmystische Bedeutung verknüpfen, selbst mit Benzin übergossen und angezündet. Die Überschrift des SPIEGEL-Artikels zu Kochs Tod ist ein Zitat aus der »Illuminatus«-Reihe: »Alle großen Anarchisten starben am 23.« In einer Todesanzeige in der »tageszeitung« klagen Karls Schwester Christine und einige Freunde an: »Wir sind wütend und traurig über den Tod unseres Freundes. Wir sind sicher, Karl wäre noch am Leben, wenn Staatsschutz und Medien ihn nicht durch Kriminalisierung und

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