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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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Fred Turner zufolge »den Weg bereitete für Studien über die sozialen Implikationen von Computernetzwerken«.
    Zudem war The Well Sammelpunkt für viele, die später die Entwicklung des Netzes entscheidend mitgestalteten, für seine berühmtesten Theoretiker und auch ein paar sehr einflussreiche Praktiker. Kevin Kelly zum Beispiel, den ersten »Wired«-Chefredakteur und Erfinder des Begriffs »New Economy«, oder Craig Newmark, dessen kostenloser Internet-Kleinanzeigendienst Craigislist im Alleingang das Kleinanzeigengeschäft der gesamten US-Zeitungsbranche fast vollständig ausgelöscht hat. Craigslist begann als Kleinanzeigen-Mailing-Liste für den digitalen Freundeskreis bei The Well, heute ist die Website in den USA der De-facto-Monopolist für private und gewerbliche Kleinanzeigen im Netz.
    Jeder, der einmal ein Internetforum besucht hat, sei es für Online-Rollenspiele, Autos oder Kanarienvögel, kennt die Prinzipien, auf denen The Well basiert, auch wenn Beschränkungen wie die der Gesamtzahl der gleichzeitig anwesenden Nutzer längst der Vergangenheit angehören. Damals war all das aufregend und neu, und die vor allem aus der Gegend um San Francisco stammenden »Wellbeings« genossen ihre neue digitale Freiheit, zu reden, worüber sie wollten, und dabei auf einen Fundus an ebenso kommunikationsfreudigen Gleichgesinnten zu treffen. Die Besucher dort hatten mit den regelmäßigen Gästen der Cracker- und Hacker-Boards wenig gemeinsam. Sie waren im Schnitt älter, nämlich 30 bis 40 Jahre alt, sie gingen ordentlichen Berufen nach – häufig in der IT-Branche, dem Bildungswesen oder den Medien, und sie verdienten vergleichsweise gut. Die Teilnahme an The Well ist bis heute kostenpflichtig – natürlich ist die Diskussionsplattform inzwischen längst ins WWW übergesiedelt. Jahrelang kostete The Well die Betreiber trotz der Teilnahmegebühr Geld, aber das machte augenscheinlich kaum jemandem etwas aus. Geleitet wurde das Unternehmen bis in die neunziger Jahre hinein von einer Reihe ehemaliger Landkommunarden aus Stewart Brands gewaltigem Bekanntenkreis. The Well verkörperte die Vermählung von Hippiegeist, Erdverbundenheit und den neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten wie kein anderes Unternehmen jener Tage. Ein Ort, der wie gemacht schien für den »Deadhead« und Sprachkünstler Barlow. Schnell stieg er zu einem der Stars der Plattform auf.
    Bruce Sterling beschreibt den Barlow jener Tage in »The Hacker Crackdown« so: »Ein großer, bärtiger Mann aus Wyoming mit zerfurchtem Gesicht und tiefer Stimme, in einem schmucken Western-Outfit aus Jeans, Jacke und Cowboystiefeln, mit einem geknoteten Halstuch und immer einer Grateful-Dead-Anstecknadel am Revers.« Barlow war und ist eine eindrucksvolle Erscheinung.
    Das Zusammentreffen zwischen Barlow und einem FBI-Agenten namens Baxter im Jahr 1990 muss ein denkwürdiges Ereignis gewesen sein. Der Polizeibeamte verstand rein gar nichts von den digitalen Untaten, die zu verfolgen er geschickt worden war. Mit Barlow dagegen verstand er sich schnell ziemlich gut – schließlich war der Viehzüchter, und Viehdiebstahl war Agent Baxters Spezialgebiet. Schnell hatte Barlow den Beamten auf seine Seite gezogen. Er erklärte ihm zunächst einmal, was so ein Datendiebstahl eigentlich war. Baxter lauschte mit großen Augen und ließ sich an Barlows Rechner vorführen, wie das Einloggen in eine virtuelle Community wie The Well funktionierte. Barlow zufolge hatte Agent Baxter nicht nur absolut keine Ahnung von Computern, Software und Vernetzung. Er litt auch an einer Reihe eklatanter Fehlwahrnehmungen, die vermutlich auf FBI-internen Missverständnissen beruhten. Baxter, berichtet Barlow, sei beispielsweise überzeugt gewesen, dass das Grafik-Software-Unternehmen Autodesk, der Hersteller der 3-D-Gestaltungs-Software AutoCAD, »in großem Stil an der Entwicklung des Star-Wars-Verteidigungssystems beteiligt sei«. Der FBI-Mann glaubte außerdem, John »Cap’n Crunch« Draper sei der Chef von Autodesk. Barlow: »Sobald ich aufgehört hatte zu lachen, begann ich mir Sorgen zu machen.« Seine Kurzbeschreibung der Situation: »Kafka im Clownskostüm«.

Verbrechen und Verwirrung
     
    Barlows Rechner wurde nicht beschlagnahmt, und das FBI behelligte ihn auch sonst nicht weiter – doch die Begegnung mit den eifrigen, aber offensichtlich planlosen Strafverfolgern nährte in ihm eine Befürchtung, die er schon seit einiger Zeit gehegt hatte: Der Staat, namentlich

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