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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Stoecker
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diese Abende oft ungleich länger und nervtötender. Versierte Fotovorführer werben damit, dass sie wirklich nur die besten Bilder ausgewählt haben. Versierte Fotoabendbesucher fragen misstrauisch nach, wie viele.
    Entfallen sind dafür die Listen mit Nachbestellungswünschen, die früher nach Klassenfahrten oder Gruppenreisen kursierten. Heute verschickt man Fotos auf CD, per E-Mail oder lädt sie gleich auf eine Bilderplattform wie Flickr oder Picasa hoch. Oder zu Facebook, StudiVZ oder Wer-Kennt-Wen, wo man sich mit den Mitreisenden womöglich ohnehin schon digital verbunden hat.
    All das konnte Anfang der Neunziger noch niemand ahnen. Halbwegs erschwinglich wurden Digitalkameras erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, wirklich zur Massenware erst nach dem Jahrtausendwechsel. In weniger als 15 Jahren gewöhnte sich die Menschheit das Fotografieren auf chemischer Basis fast vollständig ab. Heute ist Analogfotografie ein Hobby für Spezialisten, wie Malerei oder Makramee.

Datenträger sterben einsam
     
    Die klassische Fotografie ist nur eines unter vielen Opfern, die die Digitalisierung am Wegrand zurücklässt. Weil nach und nach alles digital wird, verschwindet ein analoger Datenträger nach dem anderen. Als Nächste sind die digitalen dran. Irgendwann werden nur noch die reinen Daten übrig sein, unabhängig vom Speichermedium, ausdehnungs- und gewichtslos, gespeichert auf lokalen Festplatten oder irgendwo im Internet. Schon erwischt hat es die Schallplatte, die Videokassette, die Audiokassette, inzwischen ist sogar die CD von Aussterben bedroht. Bei Musik und Fotografie ist die Entwicklung am weitesten fortgeschritten, sie liegen schon jetzt oft als reine Daten vor. Folgen dürfte das, was man bis heute umgangssprachlich Zelluloid nennt, obwohl Filmstreifen längst auf Polyesterbasis hergestellt werden. Kinos in aller Welt rüsten derzeit für sehr viel Geld auf digitale Projektion um, weil es viel einfacher ist, Filme in Dateiform um den Globus zu schicken als in gewaltigen Blechdosen, die bis zu zwölf Kilogramm wiegen. Weil Filmkopien enorm teuer sind, digitale aber nichts kosten. Und weil neue Projektionstechniken, die etwa für Filme in 3D unabdingbar sind, mit transparenten Filmstreifen als Datenträger einfach nicht mehr funktionieren.
    Der älteste aller heute gebräuchlichen Datenträger wird diesem Prozess wohl als Letzter zum Opfer fallen: das Papier. Es wird vermutlich noch lange dauern, aber in diesem Bereich ernsthafte Prognosen abgeben zu wollen, wirkt im Licht vergangener Entwicklungen doch sehr gewagt.
    Im Frühjahr 2011 teilte der Internetbuchhändler Amazon erstmals mit, dass er in den vorangegangenen Monaten in den USA mehr E-Bücher für sein digitales Lesegerät »Kindle« verkauft habe als gedruckte Buchausgaben. Das lässt keine Aussagen über den US-Buchmarkt insgesamt zu, denn Kindle-Bücher kann man nur bei Amazon kaufen, nirgends sonst. Aber es ist doch eine erstaunliche Entwicklung – immerhin gibt es den Kindle erst seit Ende 2007. Auch die Auflagen von Tageszeitungen in den USA und hierzulande gehen kontinuierlich zurück, während eine wachsende Zahl von Menschen sich ausschließlich online über das Weltgeschehen informiert. Trotzdem werden Unmengen von bedrucktem Papier verkauft. Das papierlose Büro, das man uns immer wieder angekündigt, angedroht, versprochen hat – noch liegt es in weiter Ferne. In Redaktionen, Agenturen, Ämtern, Universitäten, Schulen, Bibliotheken und Büros wird gedruckt und kopiert, was das Zeug hält. Nach wie vor gibt es kaum jemanden, der längere Texte wirklich lieber am Bildschirm liest. Das aber ist eine Frage der verfügbaren Technik und auch der von klein auf erworbenen Gewohnheiten, und damit nur eine der Zeit.
    Wenn es so kommt, wie es nun schon so oft gekommen ist, wird auch das Primat des Papiers irgendwann eine vorübergehende Phase gewesen sein. Noch um die Jahrtausendwende wurden unter Fotobegeisterten erbitterte Streitgespräche darüber geführt, ob die Digitalfotografie sich jemals durchsetzen würde, ob Profis irgendwann bereit sein würden, sich dieser unstofflichen, geisterhaft wirkenden Technik mit der miesen Auflösung anzuvertrauen. Doch die Qualität der Bilder wuchs rasant, während die Preise für Kameras im selben atemberaubenden Tempo fielen. Eine digitale Spiegelreflexkamera kostet heute so viel,wie 1998 eine gute analoge gekostet hat. Und wer versucht, in einer Großstadt einen Diafilm zu kaufen, muss sich auf

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