Nerd forever
Das Zimmer ist ein weißer Kasten. Auf der einen Seite sitzt Dr. Schmitt hinter seinem mächtigen weißen Schreibtisch, auf der anderen Seite neben der Tür hängt ein Foto vom Bundespräsidenten und daneben eines von Dr. Schmitt. Beide lächeln Dr. Schmitt an. Sie scheinen ihn zu mögen. Direktor Schmitt schaut von seinen Papieren auf und bittet uns, näher zu kommen. Sein Schreibtisch ist riesig. Ein PC mit Maus-Pad & Co., ein mexikanischer Kaktus und eine Obstschale stehen darauf. In einem Zettelkasten liegen Zettel, Stifte stecken in einem Stiftehalter, und hinten an der Wand prangt eine Vitrine mit einem großen Pokal:
Martin Schmitt, dreimaliger Sieger Schreib’s perfekt! – rischtisch oder pfalsch?
Wir setzen uns.
»Greift doch zu«, sagt Direktor Schmitt.
Jeder von uns nimmt sich eine Banane aus der Schale.
»Wir sind eine gesunde Schule. Deshalb solltet ihr Obst essen. Es enthält Vitamin C. Es ist wichtig, sich natürlich zu ernähren.«
Er macht eine Pause.
Soll ich jetzt nicken?
Ich nicke.
Direktor Schmitt fährt fort: »Wie du sicherlich weißt, ist Nerdine eine geborene Naturwissenschaftlerin. In der nächsten Ausgabe unserer Schülerzeitung wird sie Einblick in ihre Vitamin-C-Forschung geben. Na, erzähl mal, Nerdine, warum dieses Vitamin so wichtig für uns ist.«
»Vitamin C befindet sich vor allem in Paprika, Petersilie und Sauerkraut … Wir benötigen davon die größte Tagesmenge an Vitaminen – interessanterweise ist dies bei Meerschweinchen auch so. Deshalb sollten wir aber noch lange keine Meerschweinchen essen.«
Ich höre Nerdine gerne zu. Sie ist klug und witzig, aber Dr. Schmitt unterbricht sie überraschend: »Sehr schön, Nerdine. Nun verrate mir den Grund für euren Besuch?«
»Dr. Bauklo hat uns geschickt«, erklärt Nerdine und schält die Banane.
»Warum?«
»Ich soll gestört haben«, sage ich.
»Hast du gestört?«
»Ich habe Rick nur gesagt, er soll ruhig sein.«
Jetzt erst fällt mir auf, dass Direktor Schmitt eine Ähnlichkeit mit Rick hat, nur mit Falten um die Augen und einem noch breiteren Mund.
Er sagt: »Du hast also geredet.«
Ich sage: »Das stimmt. Ich musste reden, um zu verhindern, dass Rick redet. Ich wollte also mit meinem Reden sein Reden beenden.«
»Willst du mich veralbern?«
»Nein.«
»Du magst Rick nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt«, sage ich.
»Ich meine, ich hätte es zwischen den Zeilen gehört«, sagt er. Und er fügt hinzu: »Iss erst mal deine Banane. Sie gibt dir Energie für deine künftige Aufgabe.« Dann schickt er mich zu Hausmeister Bissig. Der soll mir eine Monsterpinzette geben und einen Eimer. »So kannst du dein fehlerhaftes Betragen wiedergutmachen.« Denn mit diesen Werkzeugen des Hausmeisters soll ich den Schulhof von Unrat befreien.
Kapitel 9
Holt mich hier raus! Ich bin in der Schule!
Ich laufe über den Schulhof, vorbei am Müllcontainer, Modell 1987. Damals wurde hämatithaltiges Metall für solche Container genutzt wie auch zum Bau von Sprengköpfen von Atombomben. Atombomben und Müllcontainer sind somit hochallergen. Ich umschiffe den Container also weiträumig und laufe zu Hausmeister Bissigs Kabuff, das Direktor Schmitt eben Loge genannt hat. Sie ist aus Glas und sieht aus wie ein Aquarium. Darin ist wiederum ein wirkliches Aquarium. Und darin schwimmen Fische. Sie glänzen silbern und rot. Sind das Piranhas? Piranhas sind die Pitbulls unter den Fischen. Die Viecher haben so lange Zähne, die kriegen das Maul nicht zu.
»Hab ich es mir doch gedacht. Du hast Hofdienst.« Wieder fährt mich Hausmeister Bissig von hinten an. Er drängt mich in sein Kabuff. »Du bist doch ein Nerd.« Der Hausmeister hält eine beschriftete Tasse in der Hand.
Sag nicht, was der Hausmeister für dich tun kann! Sag, was du für den Hausmeister tun kannst!
»Siehst du den PC, Nerd?«
Es ist ein echter Siemens-Oldtimer. Das hellbraune Plastikgehäuse
ist extrem abgeblasst. Auf eBay könnte der schon was bringen.
»Du wirst ihn reparieren.«
»Ich muss den Schulhof säubern.«
»Zange und Mülleimer gibt es erst, wenn der PC wieder läuft. Also beeil dich.« Er guckt zur Wand, wo ein Schlüsselkasten über einem Schränkchen hängt. Und auf dem Schlüsselkasten steht ein Werkzeugkasten. Ganz schön hoch! Da kommt der Hausmeister doch nie dran. Schließlich ist er an den Rollstuhl gefesselt. Ich muss den Werkzeugkasten also selbst herunterholen. Mein Hirn sagt mir: Du brauchst eine Leiter! Doch die gibt es nicht.
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