Nerd forever
bin nämlich der Nerd, der schon immer in die Schule musste. A-Real-Life-Nerd.«
Ein Duft steigt mir in die Nase. Stell dir den herrlichen Geruchmix aus einer frisch gebrannten 10.000-Terrabit-Festplatte und
der Abluft aus deinem Laptop-Ventilator vor. Ich habe sofort Kribbeln im Bauch und meine Hauttemperatur erhöht sich. Das bedeutet entweder, dass ich eine Grippe habe, ein Alien mich infiziert hat oder dass ich verliebt bin. Ich drehe mich um zu dem Duft. Nerdine! Sie geht zum Klassenraum.
»Bist du scharf auf sie?«
Was meint er damit? Scharfe Pizza mag ich nicht.
Calvin klopft mir auf die Schulter und zwinkert mir zu. Ich mag es nicht, berührt zu werden. Das macht mich nervös.
»Hey, Opfer!« Rick hat uns entdeckt.
Calvin reagiert sofort und winkt Rick freundlich zu.
Und mir sagt er: »Du musst auch winken.«
Ich tue es, woraufhin sich Rick zufrieden umdreht und hinter Nerdine hergeht.
So muss ich mich also verhalten, damit Rick mich in Ruhe lässt. Ich kann bestimmt noch viel von Calvin lernen. Mittlerweile steht eine ganze Traube Schüler vor der Klassentür, während Calvin und ich an den Nerd-Spinden warten.
»Ich bin froh, dass du da bist«, sagt Calvin. »Seit Friedrich weg ist, macht Rick mich fertig. Jetzt bist du ja für Friedrich da.«
»Was ist mit Friedrich passiert?«
»Seine Eltern haben ihn von der Schule genommen. Er wurde von Rick gemobbt, weil er ein Streber war.«
»Definiere bitte Streber .«
»Na, Friedrich war supergut in Mathe, Englisch und Deutsch. Er sollte unsere Klasse sogar in einem Monat beim Buchstabierwettbewerb Schreib’s perfekt! – rischtisch oder pfalsch? vertreten.«
»Und warum wurde Rick nicht bestraft?«
»Er ist nicht das Opfer, sondern Friedrich war das Opfer. Schließlich heißen deshalb die Opfer Opfer und die Täter Täter. Das ist doch logisch! Wenn ein Opfer nicht mehr kann oder will, wird es in eine andere Klasse versetzt, und dann kommt ein neues Opfer für den Täter.«
»Und das neue Opfer warst du?«, frage ich.
»Seit gestern bist du es.«
»Und du?«
»Ab heute sitzt du zwischen mir und Rick. Du bist also der direkte Nachbar von Höhöhö .«
Ja, das ist logisch. Alles hat seine Ordnung in der Schule. Ich muss die Ordnung nur verstehen.
»Welche Aufgaben sind mit der Opferrolle verbunden?«, erkundige ich mich.
»Du musst jederzeit verfügbar sein. Deshalb sitzt du neben Rick. Zweitens muss sich das Opfer über seine Opferrolle nicht nur ärgern, sondern richtig traurig und verzweifelt sein. Am besten sind Tränen. Deshalb solltest du viel und regelmäßig trinken. Drittens muss sich das Opfer wehren wollen.«
»Ist das ein Ritual, dass sich Opfer wehren?«
»Weiß nicht. Wichtig ist nur, dass das Opfer keine Chance hat. So wie eine Fliege im Netz der Spinne. Die Spinne wird durch das Zappeln der Beute nur noch gieriger.«
»Und wenn ich mich zu stark wehre?«
»Geht das Spinnennetz kaputt. Dann sind alle sauer auf dich. Aber glaub es mir, bei Rick klappt das mit dem Wehren sowieso nicht. Du kennst ja seinen Vater.«
»Wieso? Wer ist denn sein Vater?«
Calvin lacht: »Lass dich überraschen.«
Eine rundgesichtige Frau nähert sich unserer Klasse. Sie kämpft sich auf Stöckelschuhen, die sie gleich zehn Zentimeter größer erscheinen lassen, den Weg frei. Das muss unsere Deutsch- und Klassenlehrerin Rita Ranzig sein.
Kapitel 13
Im Paradies der Loser heißt es lesen, lesen, lesen!
Der Unterricht beginnt.
Das Höhöhö ! von Rick ist wieder da und auch Patrizias Handy liegt auf seinem Tisch. Sogar die Cityzicken haben ihre Plätze eingenommen und kämmen beruhigend Patrizias Haar. Nur eins ist anders: Calvin sitzt neben mir und Frau Ranzig schaut gutmütig zu ihm hinüber. Mag sie ihn? Oder schaut sie mich an? Ich bin mir nicht sicher, denn sie schielt ein wenig. Dann bin ich mir sicher, denn sie spricht mich an. »Du bist also Nerd. Kannst du mir bitte sagen, welche Lektüre du zuletzt gelesen hast?«
»Entwicklermagazin IOS 87 mit dem Special MS76-Programmierung .«
Frau Ranzig schielt verwirrt.
»Nein, ich würde gerne von dir wissen, welchen Roman du zuletzt gelesen hast?«
»Der kleine Hobbit .«
»Das ist aber ein dickes Buch.«
»Höhöhö. Hast du sonst nichts zu tun, Opfer?«, sagt Rick laut. Alle lachen, selbst Frau Ranzig verzieht ihren Mund zu einem Lächeln.
»Nun gut, dann reden wir von der neuen Klassenlektüre, die
wir noch vor den Sommerferien anlesen werden. Ich habe euch drei Bücher
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