Nerd forever
mitgebracht, von dem ihr eines auswählen dürft.
Buch A ist dick – 317 Seiten
Buch B ist dünner – 186 Seiten
Buch C ganz dünn – 79 Seiten
Wir wählen Nummer 3 mit dem Titel Das Feuerschiff .
»Ich muss auf Toilette«, flüstert Calvin mir ins Ohr.
Warum flüstert er? Ist das ein Geheimnis? Und sollte es nicht besser sein Geheimnis bleiben, dass er auf Toilette muss? Oder soll ich mich jetzt für seine Blase interessieren?
»Und du musst auch austreten, Nerd.«
Ich habe zwar davon gelesen, dass Mädchen immer zusammen auf Toilette gehen, aber ich bin kein Mädchen. »Nein, ich muss nicht. Gleich ist doch sowieso Pause.«
»Eben. Wir müssen uns beeilen.«
Es ergibt keinen Sinn, was er sagt. Aber ehe ich nachfragen kann, sagt er laut: »Wir beide müssen austreten, Frau Ranzig. Dürfen wir?«
Die Klasse gackert, aber wir dürfen.
Wir gehen nicht zu den Toiletten, sondern eilen die Treppe hoch zur Bibliothek. Die Glastür ist verschlossen. Frau Kastenholz hockt an der Ausleihe.
Ich frage Calvin: »Wer ist eigentlich Ricks Vater?«
»Natürlich Schmitt, der sieht ihm doch total ähnlich.«
»Direktor Schmitt?«
»Kennst du noch einen anderen Schmitt?«
»Ja, denn Schmitt ist ein beliebter Name, da er von dem Wort Schmied abgeleitet ist und vor der Erfindung des Autos in jedem noch so kleinen Ort ein Schmied zum Beschlagen der Pferde ansässig war.«
»Okay, Nerd. Aber jetzt weißt du ja, dass es unser Schmitt ist.«
»Es muss schwierig für den Leiter einer Schule sein, wenn sein Sohn so ungehobelt und bildungsfern ist. Ich frage mich …«
Calvin zeigt zu Frau Kastenholz. Die kommt auf uns zu. Von ihrem Platz bis hierher sind es 17 Schritte. Genau mit dem Pausenton öffnet sie die Tür. Calvin schlüpft sofort in die Bibliothek, als sei der Teufel hinter ihm her. »Geschafft. Hier werden wir die große Pause überleben. Das ist die mobberfreie Zone der Schule, auch das Paradies der Loser genannt!«
Er erklärt mir: Die Bibliothek ist unser Rettungsanker, unsere Zone, in die sich kein Rick traut. Hier wacht Frau Kastenholz zwischen den Regalen.
Und ich erhalte von ihr mit feierlicher Miene den Bibliotheksausweis überreicht. »Da musst du nur noch unterschreiben.« Das tue ich. Frau Kastenholz hat schmale Hände, Kinderhände. Der Stempel, den sie auf meinen Ausweis haut, ist eher klumpig.
Calvin hat es eilig. »Haben Sie das Buch Das Feuerschiff ?«
Sie geht mit uns zum Regal Schullektüren . Auf dem Weg dahin kommen wir an zwei Computern vorbei. »Die Computerarbeitsplätze sind für Schüler. Falls du ihn nutzen möchtest, Nerd, dann kannst du es gerne tun.«
»Ist das die Schülerzeitung?«, frage ich, denn ein Heft mit dem Titel Tag für Tag mit Goethe liegt neben den Computern auf dem Tisch.
Frau Kastenholz nickt. »Ja, sie ist gerade eingetroffen. Nerdine Sommer hat einen vierseitigen Aufsatz verfasst.« Die Bibliothekarin schlägt das Heft auf. Darin ist Nerdine mit einer Laborbrille zu sehen, und unter ihrem Foto steht: Nerdine Sommer, Forscherin wie Goethe, analysiert jede Substanz .
Ich bin beeindruckt und würde den Artikel gerne lesen, aber Calvin meint: »Jetzt nicht. Wir müssen Das Feuerschiff lesen.«
Elisabeth Kastenholz gibt jedem von uns ein Exemplar. Auf dem Umschlag ist ein Holzschiff abgebildet, das Feuer gefangen hat. Calvin liest gierig, ich lese ebenfalls, dann kommt Patrick, der sich zu uns setzen möchte.
»Nein«, sagt Calvin schroff. »Und fass nichts an. Hier ist der First-Class-Losertisch , deiner ist…« Er zeigt zum Zweite-Klasse-Losertisch am Fenster.
Ich frage Calvin leise: »Warum bist du so zu ihm?«
»Weil er die größte Eigenpopelsammlung der ganzen Schule unter seiner Schulbank hat.«
»Das klingt ekelig. Und warum nennst du das hier Losertisch?«
»Hast du eine bessere Bezeichnung? Oder sitzen hier etwa Rick & Co.? Und jetzt lies.«
Die Story ist simpel. Das Feuerschiff ist eine moderne Arche Noah. Auf der Reise langweilen sich die Hyänen Hill und Hilla zu Tode. Sie hecken einen teuflischen Plan aus … Ich sehe hinüber zu Patrick, der irgendwas kaut. Ich will nicht wissen, was es ist. Calvin zieht seinen Sechsfarbstift aus dem Mäppchen und macht sich Notizen ins Heft, während hinter dem Regal jemand Platz nimmt. Ein Duft von tausend Platinen: Nerdine! Ich schaue zwischen den Büchern hindurch, kann sie aber nicht sehen.
»Bitte, Nerd, guck nicht in der Gegend rum, sondern lies.
Wir müssen das Buch zusammenfassen. Rick
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