Nerd forever

Laptop, der mit einem Beamer verbunden ist – und über ihr ist die Leinwand zu sehen. Auf der steht BUCHSTABIERWETTBEWERB .

    »Reingehen! Los alle auf die Schülertribüne! Und zwar gesittet und ruhig«, befiehlt Rita Ranzig. Wir folgen ihr.
    Nerdine ist nicht da, sie hat es nicht gepackt. Zu spät.
    Direktor Schmitt begrüßt die Kandidaten, als würden die Gladiatoren in Rom ins Kolosseum einmarschieren. Die Musik dazu ist die Titelmelodie von Indiana Jones . »Und noch einmal einen tosenden Applaus für unsere Buchstabierakrobaten.«

    Ich sitze zwischen Calvin und Alex und sehe selbst durch meine Nerdbrille die anwachsenden Schweißflecken auf Ricks T-Shirt. Hoffentlich funktioniert die Brille. Und hoffentlich hält der Akku.
    »Hey, Nerd!«, ruft mir Patrizia aus der ersten Reihe zu. Sie lächelt. Ja, morgen wird sie mich anrufen und wir werden ein Eis essen gehen. So ist es geplant, aber eigentlich warte ich auf Nerdine. Mama, Papa, Sarah und Otto sitzen mir schräg gegenüber auf der Erwachsenentribüne. Ist das peinlich. Ultrapeinlich. Denn stellt euch drei Erwachsene mit Nerdbrillen vor, die nun zu mir rüberzeigen und wie verrückt winken. Ich winke zurück, damit sie aufhören, aber sie winken nur noch stärker.
    Es ertönt Direktor Schmitts Stimme: »Es ist mir eine große Ehre, den diesjährigen Buchstabierwettbewerb eröffnen und moderieren zu dürfen.« Da betritt überraschend Nerdine mit einem Tablett die Bühne. Schmitt ist verwundert, aber er lässt es sich kaum anmerken. »Das ist eine überaus nette Geste von unserer mitfühlenden Schülerin Nerdine, die sich um das Wohl unserer Buchstabierkandidaten kümmert.« Nerdine stellt jedem ein Glas Wasser hin. Ich erkenne, wie Rick etwas hinter vorgehaltener Hand von ihr zugesteckt bekommt. Das müssen die Super-Gegenteil-Kapseln sein.

    »Das erste Wort richte ich an Jonas Gier aus der 5d.« Es ist Jonas von den Nerdlingen. Ich wusste gar nicht, dass die beiden Designerkinder mit Nachnamen Gier heißen. »Dein Wort lautet: Samthandschuhwaschmittel.« Das klingt schwieriger als es ist und so buchstabiert
Jonas fließend S-a-m-t-h-a-n-d-s-c-h-u-h-w-a-s-c-h-m-i-t-t-e-l. Während Jonas redet, tippt Frau Kastenholz jeden Buchstaben auf ihrem Laptop, und das Eingetippte erscheint dann auf der Leinwand.

    »Bravo, Jonas!«, sagt Schmitt. »Nun zu dir, Rick Schmitt aus der Klasse 5b. Buchstabiere bitte das Wort: Quarkteilchen.«
    Die Schweißperlen auf Ricks Stirn haben sich mittlerweile vereinigt und einer der Megatropfen tropft auf sein Mikro. BUNG! »Können Sie das Wort bitte noch einmal wiederholen«, fragt er seinen Vater.

    »Kein Problem, lieber Rick«, sagt Dr. Schmitt. »Die Spielregel erlaubt eine Wiederholung.«
    Gesagt, getan und dann buchstabiert Rick das Wort. Ich habe höllische Angst, dass er das Q als Kw buchstabiert. Aber meine Furcht ist unbegründet. Zwar stockend, aber richtig buchstabiert Rick Q-u-a-r-k-t-e-i-l-c-h-e-n!

    »Riiiischtiiiisch!«, ruft Hausmeister Bissig, als die Lösung auf der Leinwand angezeigt wird. »Riiischtiiiisch!« Alle starren ihn an, aber dann applaudieren sie, denn keiner hätte Rick zugetraut, ein Wort, das länger als der, die oder das ist, richtig zu buchstabieren. Einzig Richard Münch aus der 5a scheidet in der ersten Runde aus. Das Wort Melkmaschine wird ihm zum Verhängnis.

    In der nächsten Runde geht es um die Worte Pfandleihhaus, Wissenschaftsanalyse und Mozzarella . Keiner der Kandidaten patzt, selbst
Rick bleibt bei M-o-z-z-a-r-e-l-l-a ganz cool. Die Pfusch-Brille scheint zu funktionieren (Melissa Sagemann aus München sei es gedankt!).

    Erst in Runde drei muss einer der Kandidaten ausscheiden. Es ist nicht Rick, nicht Viktor Vokabel, sondern überraschenderweise Nerdling Jonas Gier, der Meerrettich mit nur einem r buchstabiert. Wütend schlägt er sich gegen die Brust, als wolle er der Brille auf seinem Shirt die Brillengläser einschlagen. Dann hält er sich selbst das L-Zeichen für Loser an die Stirn und lacht über seinen blöden Fehler. Soviel Größe hätte ich von einem Nerdling nicht erwartet und applaudiere.

    »Hier sind sie also: Unsere beiden Finalisten.« Direktor Schmitts Blick bleibt lange auf Rick heften, als er dies sagt. Vermutlich kann er selbst nicht glauben, dass sein Sohn so weit gekommen ist. Ich schaue auf die Uhr. Der Akku der Brille hält höchstens 17 Minuten und die sind vor vier Minuten abgelaufen. Es würde einem Wunder gleichen, wenn noch Energie im Gestell