Nero Corleone
Milchteller zu brocken. Nero schnupperte gute deutsche Fleischwurst. Mit der rechten Vorderpfote, der weißen, räumte er die Brotbröckchen beiseite, leckte höchstens etwas Butter da ab, wo es Butter abzulecken gab, und machte sich über die kleinen, runden rosa Fleischwurstscheibchen her. Schwapp, die erste, happ, die zweite, schwupp, die dritte, schmatz, die vierte — »Meine Güte, kann der futtern!« freute sich die blonde Frau, kniete nieder und streichelte ihn, und Robert brummte düster: »Den wirst du nicht mehr los.«
Ü ber diesen Satz dachte Nero nach, als er längst wieder drüben auf seinem Hof war und während der Silvesterknallerei unten im Dorf tief ins kuschelige Heu kroch, wo ihn seine Rosaputzte und ableckte wie jeden Abend. Er roch nach Milch und Fleischwurst und vermittelte ihr eine Ahnung von einem schöneren Leben, einem Leben auf weichen Teppichen und in warmen Sofaecken, einem Leben mit ständig gefüllten Tellern bei guten Menschen, die einen bewunderten, etwas Besonderes, etwas außerordentlich schön Geratenes in einem sahen und nicht nur eine geduldete Hofkatze. Ausführlich hatte Nero von seinem Besuch bei den Deutschen erzählt, und sein Mut, einfach so auf ein Sofa bei völlig wildfremden Menschen zu springen, hatte ihm in Windeseile auf dem Hof den Namen Löwenherz eingebracht, cuore di leone heißt das auf italienisch, oder als Name: Corleone. Nero Corleone ... » Herr , bitte!« hatte er nach diesem Abenteuer hinzugefügt, und so hieß er nun: Don Nero Corleone.
»Don!« riefen die Hühner, »Don sagt man nur zum Pfarrer und zu gewissen Autoritäten!«
Er hatte sich sehr groß und sehr gefährlich aufgeplustert.
»Und?« hatte er gezischt, »was bin ich in euren Augen? Ein Hanswurst?«
Es blieb bei Don Nero Corleone. Und er war gerade mal sechs Wochen alt.
A m Neujahrsmorgen blieben die Fenster im Ferienhaus drüben lange geschlossen, doch als gegen elf Uhr endlich die Läden geöffnet wurden, sagte Nero zur dummen Rosa, die mit ihren blauen Augen in das neue Jahr hinein schielte: »Komm mit!« Und sie strichen gemeinsam in der kalten Januarsonne durch die feuchte Wiese hinüber zum Grundstück der Deutschen.
»Du wartest hier!« sagte Nero und setzte Rosa unter einen Pinienbusch. Er selbst sprang auf die Fensterbank und starrte durch die Scheibe ins Wohnzimmer. Das deutsche Ehepaar saß an einem runden Tisch und frühstückte. Der Mann, Robert, blickte in Richtung Fenster und bemerkte sofort das kleine schwarze Gesicht, das streng zu ihnen hineinsah.
»Isolde«, sagte er, »sieh mal, wer da ist. Wie ich es geahnt habe.«
Mit einem kleinen Aufschrei fuhr Isolde herum und stürzte zum Fenster. Sie öffnete es so stürmisch, dass Nero beinahe außen heruntergefallen wäre und Rosa erschrocken, so schnell sie nur konnte, durch die Wiese zurück zum heimatlichen Hof rannte.
»Da ist ja mein kleiner Liebling!« rief Isolde und hob Nero ins Zimmer. »Ob du wohl ein Eichen essen magst?«
»Eichen, Milchlein, Würstchen, nur immer her mit den guten Dingen des Lebens«, dachte Nero und quiekte so niedlich und hungrig wie nur möglich. Vorsichtig behielt er Robert im Auge, denn dessen Einstellung zu Katern konnte er noch nicht so ganz einschätzen, aber Isoldes Herz, das wusste er, hatte er erobert. Sie nahm ihr weichgekochtes Ei aus dem Eierbecher, pellte es sorgfältig ab, zermatschte es mit einer Gabel auf der Untertasse und stellte es vor Nero.
»Na«, fragte sie, »magst du das?«
Nero probierte und fand: ja, das mag ich, schmeckt um Klassen besser als die rohen Hühnereier drüben auf dem Hof, köstlich! Und er schmatzte und schleckte, und Robert sagte: »Und du? Jetzt hast du kein Ei mehr!«
»Gib ihr doch deins, du Geizkragen«, dachte Nero, und plötzlich fiel ihm Rosa ein, die dicke dumme Rosa, die doch so gern aß und die da draußen in der Kälte auf ihn wartete. Er sprang zurück zur Fensterbank und kratzte laut jammernd an der Scheibe.
»Was hast du, Schätzlein?« rief Isolde erschrocken, »du hast ja dein Eichen noch gar nicht aufgegessen?«
Und Robert sagte: »Wenn er raus will, lass ihn raus.«
»Vernünftiger Mann!« dachte Nero und sprang durch das nun geöffnete Fenster in den kalten Garten.
Keine Rosa.
»Wo bist du, dumme Liese?« schrie er, aber sie war nicht da, und wütend preschte er zum Hof hinüber. Da saß sie schon, furchtsam trippelte sie ihm ein paar Schritte entgegen und roch an seinen Barthaaren.
»Warum läufst du weg, wenn ich sage:
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