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Nero Corleone

Nero Corleone

Titel: Nero Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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das einem deutschen Ehepaar aus Köln am Rhein gehörte. Die beiden kamen mehrmals im Jahr — meist im Frühjahr, zu Beginn des Sommers, im milden Herbst oder auch über Weihnachten und Neujahr — in einem großen alten Auto angereist, mit Koffern voller Bücher. Dann wurden am Haus die Fensterläden geöffnet, es wurde gelüftet, im Winter stieg Bauch aus dem Kamin, im Sommer wurden zwei grüne Liegestühle im kleinen Garten aufgestellt, und dann saß das Ehepaar entweder am Kamin oder lag in den Liegestühlen und las die Bücher aus den Koffern. Wenn alles ausgelesen war, fuhren die beiden wieder zurück nach Deutschland. Immer winkten sie dem Bauern auf dem Hof ein Willkommen zu, er winkte zurück, manchmal kam man sich auf der Wiese entgegen, redete ein wenig über das Wetter, die Politik und Lothar Matthäus, der Bauer brachte einen Kopfsalat und frische Kräuter aus seinem Garten, das Ehepaar eine Flasche weißen Rheinwein, und die Madonnina strich manchmal oben ums Haus und bekam ein Tellerchen Milch.

N ero sah sofort: Aha, da tut sich was. Am Silvestermorgen wurden die Fensterläden geöffnet. Eine halbe Stunde später quoll der Rauch aus dem Kamin und es roch nach Holzfeuer. Trotzdem standen die Fenster noch weit offen. Nero lief durch die vergilbte Winterwiese zum Haus hoch, sprang auf die Fensterbank und, als er niemanden sah, ins Wohnzimmer.
    Er war noch nie in einem Wohnzimmer gewesen und besah sich alles ganz genau. Zuerst klärte er mögliche Gefahren ab: gab es Hühner mit scharfen Schnäbeln? Einen Hund? Jemanden, der einen Pantoffel nach ihm werfen würde? Das Zimmer war leer und still bis auf das leise knisternde Kaminfeuer. Im Nebenzimmer gab es Geräusche, dort schien sich jemand an Schränken zu schaffen zu machen, aber hier im großen Wohnraum herrschte eine schöne Ruhe. Nero schritt zum ersten Mal in seinem Katerleben über einen Teppich, einen weichen, rosa Teppich mit kleinen grünen Ranken. Vorsichtig setzte er die Pfoten, sank ein wenig ein, streckte sich, machte sich gaaaaanz lang und wetzte ratsch, ratsch seine Krallen in der Wolle. Dabei zog er ein paar Teppichfäden heraus — das gefiel ihm, und er kratzte sich den ganzen Teppichrand entlang ritscheratsche bis zum Sofa. Es war ein grünes Sofa mit dicken rosa Kissen. Nero stellte sich auf die Hinterbeine und testete mit den Vorderpfoten: gut, sehr gut, das war sehr schön weich, fast so weich wie das Heu drüben auf dem Hof und nicht so pieksig. Mit einem Satz war er oben, drehte sich ein paarmal und rollte sich in die Polster.
    Dazu muss man bedenken, wie hoch so ein Sofa und wie klein so eine Katze ist. Es ist etwa so, als würde ein Mensch aus dem Stand und ohne Anlauf mal eben so auf das Dach seines Hauses springen oder doch wenigstens auf den Balkon im ersten Stock. Eine Katze ist ein Wunder — nicht nur wegen solcher Sprünge. Eine Katze kann auch im Schlaf alles hören, das leiseste Mäusefiepen. Sie kann im Stockdunkeln sehen und wird nie eine Brille brauchen. Sie geht völlig lautlos und trägt einen dicken, weichen Pelz, mit dem sie auch in der Sonne nicht schwitzt. Ihre Pfoten sind zart und weich, und doch läuft sie damit über spitze Steine, heißes Pflaster und gefrorene Felder, ohne sich weh zu tun, und wenn es sein muss, sausen wie Klappmesser vorn die schärfsten Krallen heraus, die man sich vorstellen kann. Eine Katze kann in den Schlamm fallen und schon nach zehn Minuten wieder so adrett und sauber aussehen, als sei sie in der Städtischen Badeanstalt gewesen. Eine Katze kann senkrecht an einem Baum hochgehen, und dann landet sie mit zwei, drei Sprüngen wieder unten, als wäre nichts gewesen, und wenn sie sich wohl fühlt, kann sie ein unbeschreibliches Geräusch in ihrer Kehle rollen lassen — etwas zwischen einem fernen, leisen Gewittergrummeln, einem kleinen Güterzug, der weit weg in der Nacht über eine Holzbrücke fährt, und einem Wasserkessel, der gerade zu summen anfängt, kurz ehe das Wasser kocht. Es ist eines der schönsten Geräusche auf der Welt, und man nennt es Schnurren. Nero schnurrte.
    Er lag in den grünen Polstern, hin gelehnt an die rosa Kissen, und schnurrte. Und er hörte sehr wohl, dass sich aus dem Nebenzimmer jemand näherte, aber er hatte keine Lust, diesen paradiesischen Platz wieder aufzugeben, aufzuspringen und wegzusausen. Er vertraute auf seine schon andernorts bewiesene Überzeugungskraft. Er war sicher, dass er ein Recht hatte, hier zu liegen, und wenn nicht — dann hatte

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