Nero Corleone
Nähe gelauscht und alles beobachtet. Er wusste, worum es ging, und stolzierte nun auf den Hof und verkündete den Hühnern, den Katzen und dem Hund: »Ich gehe nach Deutschland, in das Land von Lothar Matthäus. Mir wird es hier zu eng, ich brauche neue Aufgaben.«
Alle staunten und schwiegen, und nur die Madonnina sagte gleichgültig: »Ich kenne keinen Lothar Matthäus, und spiel du dich hier gefälligst nicht so auf.«
D er Abreisetag war leicht zu erkennen: schon am frühen Morgen wurden die Fensterläden drüben verriegelt, und Robert schleppte Taschen und Koffer zum Auto. Nero und Rosa saßen still und versteckt unter einem Strauch und beobachteten Isolde, die klagend durch den Garten lief und rief: »Nerolein! Rosichen! Wo seid ihr denn bloß? Ausgerechnet heute! Neeerooo! Rooosiii! Wo ist mein schwarzes Äffchen?«
Nero dachte: »Dir geb ich gleich schwarzes Äffchen!« und hielt Rosa, die so gern sofort hinübergelaufen wäre, mit eiserner Pfote fest.
»Still«, sagte er. »Abwarten. Sie soll ein bisschen leiden, dann ist die Freude umso größer, wenn wir endlich kommen, und sie nimmt uns wirklich mit.« Rosa seufzte ein wenig. »Ganz weg hier«, sagte sie, »ist das denn auch wirklich richtig? Hier ist es doch schön.«
»Hier ist es schön, weil sie da sind«, sagte Nero, »drüben auf dem Hof ist doch ein ewiges Gedrängel, nein, nein, die Welt bietet mehr als das, lass uns nur reisen. So, hopp. Jetzt. Avanti!«Und laut miauend sprangen Rosa und Nero gleichzeitig aus dem Gebüsch auf die überglückliche Isolde zu.
»Da seid ihr ja!« rief sie, »kommt her, ihr dürft doch mitfahren, ihr bleibt jetzt für immer bei uns!« Und sie bückte sich und nahm beide Katzen gleichzeitig auf den Arm und drückte sie selig rechts und links an ihr Gesicht.
»Immer«, dachte Nero, »immer ist ein großes Wort. Wir werden sehen. Aber fürs erste gehen wir mal mit. Nur keine Sentimentalitäten.« Er machte sich frei und sprang zurück ins Gras. Mit einem kleinen Aufschrei ließ Isolde Rosa fast fallen und rief: »Nicht weglaufen, Nero! Ihr müsst jetzt ins Körbchen!« Sie rannte ins Haus und kam bald darauf mit dem Katzenkorb zurück, hinter dessen Gittertür Rosa bereits saß und kläglich maunzte.
»Komm«, lockte Isolde, »dein Mädchen ist schon drin, schau!« Nero kam zögernd näher, machte einen langen Hals und fragte: »Und? Wie ist das da drin?« »Ich hab Angst!« jammerte Rosa, »ich will raus, ich will nicht weg, ich will hierbleiben, ich ...«
»Halt die Klappe«, sagte Nero streng, »ich will, ich will nicht, du weißt ja gar nicht, was man wollen kann. Jetzt nimmt das Leben eine andere Richtung, Dicke, und es kann nur besser werden.«
Entschlossen stiefelte er auf Isolde zu, ließ sich packen und zu Rosa in den Korb stecken. Aber ganz wohl war ihm auch nicht zumute, als er da drin saß und die Welt durch eine geflochtene Tür sah, als er schaukelnd hochgehoben und zum Auto getragen wurde, als das Auto mit fürchterlichen Geräuschen anfuhr — nein, wohl war ihm wahrhaftig nicht, aber zeigt ein Nero Corleone vielleicht Angst? Ach was. Er schmiegt sich seufzend an den Pelz seines Mädchens und übersteht so eine lange, lange Reise. Eine Reise bis Köln am Rhein.
D ie Autofahrt nach Deutschland war fürchterlich. Sie dauerte zehn Stunden und führte durch den finsteren Gotthardtunnel, an Flüssen vorbei und um Berge herum, über himmelhohe Brücken und durch Täler, und Nero und Rosa saßen in ihrem Korb, verstanden das Geschaukel und Gesause nicht, bereuten es bitter, je hier eingestiegen zu sein, und fühlten sich elend und verloren. Rosa jammerte kläglich und leise vor sich hin, ängstlich, unglücklich, verwirrt. Nero schrie wie am Spieß. Er fing an zu schreien, als die Autotür zuklappte, und er hörte auf, als das Auto endlich in Köln am Rhein zum Stehen kam und Isolde und Robert einem Nervenzusammenbruch nahe waren. Er schrie gellend, böse, fordernd, er krähte und kreischte, dass er so nicht mit sich umspringen lasse, dass er hinauswolle, ein Häufchen machen müsse, und er machte schließlich ein Häufchen in den Katzenkorb.
»Es stinkt«, sagte Robert, und Isolde weinte fast: »Sie sind ängstlich, ach, meine armen kleinen Hasen, haltet nur tapfer durch, es wird ja alles gut, meine Mäuschen, mein Rosinchen, mein Neroprinz.«
»Neroprinz!« schrie Nero, »dummes Zeug, nichts als Worte, ich will raus, ich kann das nicht ertragen, ich verlange sofort eine andere Behandlung, oder
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