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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Mode verlangte es, mit Seneca zu philosophieren. Deshalb beneidete sie ihre Freundin Septimia keineswegs um den glänzenden Agrigentiner; ihre Eitelkeit war stärker als ihr Bedürfnis nach Huldigung.
    Nero selbst hatte den äußersten Platz am Ende der Tafel, damit, wie Otho sich schmeichlerisch ausdrückte, dies untere Ende ins obere verwandelt würde.
    Die Tafelgenossin des Kaisers war Poppäa, Othos Gemahlin.
    Tänzerinnen und Flötenspieler, Gaukler und Deklamatoren hatten die Trinkpausen nach altüberlieferter Weise musterhaft ausgefüllt. Mitternacht war vorüber. Da nahte in Begleitung einiger Fackelträger die allbeliebte Sängerin Chloris. Dem Zuge des großstädtischen Lebens und Treibens folgend, hatte sie um die Iden des Mai Rom verlassen, um zu Bajä in den Landhäusern der reichen Aristokraten Tausende und Abertausende mühelos zu verdienen. Ohne es zu wollen, erbeutete sie nebenher auch die Sympathien der zahlreichen Lebemänner, die auf Schritt und Tritt ihr den Weg verlegten und den Jupiter Ultor zum Zeugen ihrer verliebten Meineide anriefen.
    Mit unnachahmlicher Grazie erhob sie jetzt das stählerne Plectrum. Sie sang ein Liebeslied der Melinno. Von den ruhig lodernden Fackeln bestrahlt, sah sie aus wie Melpomene.
    »Diese reizende Unschuld,« raunte Septimia und schmiegte sich zärtlich an die Schulter des Agrigentiners.
    Ihr Ton hatte etwas Ironisches. Tigellinus, der sonst nicht der Mann war, die Unsträflichkeit eines Weibes gewichtig zu nehmen, fühlte sich heimlich verletzt. Ohnehin war er verstimmt darüber, daß ihm die sehnsuchtskranke Septimia eigentlich gar nicht die Zeit zur Eroberung ließ, sondern sich blindlings und mit gebundenen Händen ihm auslieferte.
    Er bemerkte deshalb: »In der That, dieses Mädchen ist makellos. Ihr Anblick erfrischt mir die Seele wie ein duftiger Tau.«
    »Ah!« versetzte die schöne Septimia etwas nervös. »Ich wußte nicht, daß gerade du zu den Männern gehörst, denen die Unschuld so lieblich erscheint.«
    »Weshalb sollte sie nicht?«
    »Weil du im Rufe stehst, ihr verderblichster Gegner zu sein.«
    »Ein zierliches Epigramm! Aber man hat mich verleumdet.«
    »Wirklich? Die lange Tabelle deiner Trophäen wäre ein Mythus? Hast du mir nicht vor einer Stunde noch zugestanden, daß deine Feldzüge unter den Adlern der Aphrodite nicht völlig des Ruhms entbehrten?«
    »Darf ich der holden Septimia betonen, daß ihre Purpurlippen mit gewohnter Unstetigkeit vom Thema abgeschweift sind? Von mir und meinen ›Großthaten‹ war ja durchaus nicht die Rede.«
    »Allerdings, wir sprachen von Chloris. Du verteidigst sie; du beschwörst ihre Tugend. Wäre mein Freund Tigellinus vielleicht nur deshalb so fest von ihrer Standhaftigkeit überzeugt, weil er sich jüngst einen Korb geholt?«
    »Ich nicht,« gab Tigellinus ihr mit höflicher Ruhe zurück. »Andre jedoch, – und zwar vortreffliche Kämpfer: zum Beispiel – aber die Namen sind peinlich.«
    »Mir kannst du sie anvertrauen.«
    »Unmöglich!«
    »Otho vielleicht?« hauchte sie, schalkhaft lächelnd.
    »Was denkst du, Septimia! Otho, der ewige Bräutigam, der so verliebt ist in seine Poppäa Sabina!«
    »Freilich ist er verliebt. Aber sie lohnt's ihm schlecht. Oder glänzte nicht auch Poppäa auf der Liste des Tigellinus?«
    »Die Frage ist zartfühlend. Nein, Septimia. Unsre Poppäa, so schön sie ist, hat mich allezeit kalt gelassen. Uebrigens steht ja noch lange nicht fest, ob's mir bei Poppäa Sabina nicht genau so ergangen wäre, wie – deinem hochgeborenen Gemahl bei der reizenden Chloris.«
    »Was? Meinem Gemahl? Cnejus Camillus, diese Seele von einem Manne, das treueste, schüchternste Maultier, das jemals im Joch der Ehe gewandelt?«
    »Du sagst es.«
    »Ich spotte deiner Erfindungen.«
    »Ich berichte dir Thatsachen – zur gerechten Strafe dafür, daß du Chloris belächeln wolltest.«
    »Sieh doch, wie du das Schwert ziehst für deine Virginia! Uebrigens: Strafe? Ich dächte, du könntest allmählich wissen, daß auch die größte Thorheit des Cnejus Camillus mir so gleichgültig wäre, wie der Streich eines Schulbuben. Du glaubst nicht, Sophonius, wie sehr seine Liebe mir lästig ist. Ich danke den Göttern, daß wir ihn glücklich ins Hochland geschickt haben. Der Arzt, mein Vertrauter, hat sich fast heiser geredet. Schließlich jedoch war er fest überzeugt, der gute Camillus, daß ihm die Seeluft nicht zuträglich sei.«
    Tigellinus wandte sich ab. Dieses Weib, so jung und so reizend sie

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