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Nero

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Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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die Doris! Leute in diesem Alter sind ja beflügelt wie Jynx, der Zaubervogel der Aphrodite.«
    »Ich habe sein Wort.«
    »Und wenn selbst: wäre das etwa ein Glück für dich? Du, die freigeborene, göttliche Künstlerin – und, Artemidorus, der ehemalige Sklave, der schon dem Henker verfallen war . . .«
    »Herr,« stammelte Chloris errötend, »er ist so edel, so gut . . .«
    »Aber du liebst ihn nicht! Sonst würdest du seine Vorzüge mir nicht anpreisen wollen, sondern rundweg erklären: ›Er ist mein Gott!‹ Auch ich bin gut, reizende Chloris, und doch wird niemand behaupten, daß ich dein Herz besitze.«
    »Gewiß nicht!«
    »Nun also! Was bedeuten die Umstände? Du hast mir zugesagt, das Fest auf dem Golfe durch deine Mitwirkung zu verschönen: ich aber kenne besser, als du, den Geschmack meiner Gäste. Ich will aus dem Schatz deiner Lieder mir das Geeignetste auswählen. Scheint dir das so absonderlich?«
    »Nein. Aber ich dachte . . .«
    »Denke du gar nichts, mein süßes Täubchen, sondern fühle und singe! Morgen also drei Stunden nach Sonnenaufgang! Links der vierte Eingang im Peristyl. Komm aber nicht durch das Atrium, sondern vom Garten her! Du sollst nicht bemerkt werden, sonst verdirbst du die Ueberraschung.«
    Sie zögerte noch. Tigellinus klopfte ihr väterlich auf die Schulter.
    »Du bist ein Ausbund von Aengstlichkeit, schöne Rhodierin! Gesetzt auch, Artemidorus hätte ein Recht auf dich: wäre es denn etwas Schlimmes, was ich dir zumute? Oder zürnt er zum Beispiel, wenn du ein wüstes Gelage mit alkäischen und alkmanischen Rhythmen schmückst?«
    »Das ist mein Beruf . . .«
    »Auch was ich von dir heische, ist dein Beruf. Ohne Vorbereitung gibt's keine wirkliche Leistung. Hier, versprich mir beim Musenführer Apollo, daß du den eifrigsten deiner Verehrer nicht warten läßt!«
    Er bot ihr die Rechte.
    »Gut denn, ich komme,« sagte sie, schüchtern einschlagend. »Aber du hältst mir auch deinerseits treu und ehrlich, was du mir versprochen hast.«
    »Alles, alles!« versetzte der freudestrahlende Agrigentiner.
    »Pyrrhus, dein kunstverständiger Sklave, wird bei der Auswahl zugegen sein?«
    »Selbstverständlich. Sein Urteil ist mir so wertvoll!«
    »Ganz bestimmt?«
    »Ganz bestimmt! Und nun schau mir doch nur ein einziges Mal in die Augen! Seh' ich denn gar so gefährlich aus? Bin ich ein Raubtier? Lächle doch, reizende Griechin! Oder denkst du noch immer an Artemidorus?«
    »Leider zu wenig!« fuhr sie seufzend heraus.
    Im nächsten Moment schon bereute sie, was sie gesagt hatte: aber nun war es zu spät. Tigellinus begriff, daß ihm die scheue Gazelle nicht mehr entgehen konnte. Ein Lächeln stolzer Befriedigung spielte um seinen Mund. Diese eine Eroberung wog ihm zwanzig in den Kreisen des senatorischen Adels und der Ritterschaft auf.
    Chloris entfernte sich. Während sie hastigen Schrittes durch eine Seitenpforte zu Thal eilte, trat Tigellinus wieder zu seiner liebeglühenden Tischgenossin Septimia und bot ihr huldvoll die Hand.
    Sie erhob sich und hing sich mit voller Schwere an seinen Arm. »Ich bin beschwipst! Göttlicher Tigellinus, ich bin beschwipst!« lachte sie unaufhörlich. »Nein, ist das närrisch! Alles dreht sich um mich im Kreise . . . Auch du, Sophonius, auch du . . .! Mensch, so halte mich doch! So! So! Und jetzt führst du mich hinter die Pinien dort und gibst mir einen tüchtigen Kuß . . . einen von zwei Minuten . . . Weißt du . . . einen . . . Ach, der dumme, gute Camillus! Wenn der Esel nur küssen könnte . . .!«
    Tigellinus war heute nicht unbarmherzig. Er schleppte seine berauschte Last mutig vorwärts, obgleich Septimia unausgesetzt stolperte, und verabreichte ihr außer dem vorgeschriebenen Langkuß noch etliche minder ausgedehnte als Dreingabe.
    Die meisten Gäste wandelten nun paarweise durch den duftüberfluteten Garten, oder suchten sich in der Richtung des Hügelkamms eine lauschige Bank, wo die Luft reiner und kühler schien, als an der Festtafel unter den Ahornbäumen.
    Nur Seneca stand noch, wie in Gedanken versunken, bei einem der gewaltigen Mischkrüge, und füllte sich, die Sklaven zurückweisend, eigenhändig den Becher.
    »Eine tolle Welt!« sagte er zu sich selbst. »Nichtig, und dennoch im stande, uns ihre Nichtigkeit jeden Augenblick vergessen zu machen! Vielleicht ist Bacchus dennoch die beste aller Philosophien. Sorgenlöser, ich opfere dir, denn hier halt' ich dich leibhaftig zwischen den Händen,

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