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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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und brauche dich nicht erst logisch zu konstruieren!«
    Er goß die Hälfte des Becherinhalts zur Erde. Den Rest trank er mit einer verdächtigen Unsicherheit aus.
    »Evoë!« rief er, das leere Gefäß schwingend. »Evoë!«
    Dann schritt er mit Aufbietung aller Würde dem Hause zu, warf sich in der spärlich erhellten Exedra langwegs auf die Bronzebank und schlief, noch ehe das Echo dieser sturzähnlichen Niederlassung verhallt war, den traumlos tiefen Schlaf des Bezechten.
     

Elftes Kapitel
     
    Tigellinus hatte bei Tafel, trotz des Eifers, mit dem ihn Septimia beschlagnahmte, Zeit gefunden, die sonderbare Erregtheit Poppäas und den wechselnden Ausdruck im Antlitz ihres fürstlichen Partners zu beobachten.
    Der Imperator schien mehr und mehr von Othos verführerischer Gemahlin gefesselt. Zwei oder dreimal hatte er, wie von heimlichem Dank erfüllt, zu ihr aufgeschaut. Die Wolken, die sich sonst mitten im tollsten Jubel auf seiner Stirn zeigten, waren heute nur ganz vorübergehend emporgetaucht, als nämlich Chloris in die Saiten ihrer Kithara schlug.
    Tigellinus freute sich dieser Wahrnehmung.
    Die dumme Geschichte mit Acte, die ja freilich ein ganz allerliebstes Persönchen gewesen, fast so schön und so küßlich, wie die reizende Rhodierin, mußte jetzt endlich aus dem Gedächtnis des Kaisers getilgt werden. Dazu war Poppäa das rechte Weib. Und welch ein Vorteil für das Palatium, wenn sie den Princeps in ihre Netze zog! Wo Poppäa Sabina herrschte, da schlug die Freude, die üppige Lebenslust ihren Thron auf. Gelang ihr die große Eroberung, dann war die Hofburg in alle Zukunft ein Göttersitz. Man brauchte dann nicht mehr so ängstlich mit seinen Abenteuern und Herzensgeheimnissen hinter dem Schilde zu halten; man konnte Milliarden vergeuden, wo jetzt nur Hunderttausende oder Millionen draufgingen; kurz, man durfte seine Persönlichkeit, wie die Gnade der Götter sie einmal gestaltet hatte, rückhaltslos offenbaren und alles mit Füßen treten, was dieser freien Betätigung irgend zuwiderlief.
    Gar zu gern hätte der glänzende Virtuose der Orgie in Verfolgung dieser Gedanken den Kaiser belauscht, wie er jetzt mit Poppäa an der marmorbelegten Parkmauer Halt machte, und hinab auf den Golf schaute. Die ›beschwipste‹ Septimia indes hielt ihren freundlichen Kavalier so energisch beim Arme und flüsterte so weinberedt auf ihn ein, daß er sie, ohne brutal zu werden, nicht abschütteln konnte.
    Poppäa und Nero lehnten dicht nebeneinander.
    Beide sprachen kein Wort. Der Kaiser starrte mit weitgeöffneten Augen in das verschwimmende Blaugrau der Meeresflut . . . Poppäa hatte mit reizender Koketterie die Hand auf seine Schulter gelegt als wollte sie sagen: ›Erinnere dich, daß hier neben dir eine Freundin steht, die ein Herz hat für alles, was dich bewegen mag!‹
    Lange schwiegen sie so. Die Phantasien des Imperators schienen trüb und traumvoll ins Weite zu schweifen.
    Endlich fragte Poppäa: »Was sinnst du, Cäsar? Denkst du noch immer an die Ewig-Verlorene?«
    Er gab keine Antwort.
    »Ich weiß,« fuhr sie fort, »daß ein edles Gemüt nur schwer und langsam vergißt. Wohl denn: meine Aufgabe soll es sein, dir die heimlich blutende Wunde allmählich heilen zu lassen. Raffe dich auf, mein Freund! Oder muß ich es wirklich beklagen, daß dich ein Zug meines Angesichts an die Tote gemahnt? Ich hoffte im Gegenteil, durch diese flüchtige Aehnlichkeit dir um so teurer zu werden . . .«
    »Wahrlich, so ist's!« versetzte der Kaiser. »Ich fühle, wie du mit jedem Tag mir unentbehrlicher wirst . . .«
    »So bin ich glückselig! Ach, gedulde dich nur! Allmählich wirst du mit immer sanfterer Trauer auf das Vergangene zurückschauen, – und schließlich kaum noch als Schmerz empfinden, was dich jetzt noch zerfoltert. Claudius Nero! Schau mir ins Angesicht! Seneca hat dich erzogen, der große Weltweise. Durftest du, als der Schüler dieses Heroen, überhaupt in so krankhaften Trübsinn verfallen? Dem Unabänderlichen sich fügen – das allein ist Mannes- und Menschenmut. In eine Welt der Vergänglichkeit bist du hineingeboren: und du wunderst dich, daß dir ein Frühling zu Grabe geht?«
    »Vergänglichkeit!« wiederholte Nero dumpf. »Ein entsetzliches Wort! Leuchtend, wie unsterbliche Götter, wandeln dort oben die Sterne, ungezählte Jahrtausende lang: und dennoch wird dereinstens die Stunde kommen, da auch die Sterne für allzeit erlöschen, die schreckliche Todesstunde des großen

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