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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Agrippina es wollte, dich gewaltsam verbannte? Seinen Augen wärest du freilich entrückt; seine Seele würde sich nach wie vor an das klammern, was er besessen hat. Für die echte, wahrhaftige Liebe, so wie ich sie begreife, strömt kein Lethe in dieser Welt.«
    Tief erschöpft sank Acte in die Kissen zurück. Sie hatte die schmale Hand, die sich so hochherzig ihr entgegenstreckte, mit zuckenden Fingern umklammert und stürmisch an die glühenden Lippen gedrückt. Jetzt aber löste sich dieser fiebernde Griff: – sie ward bleich wie Wachs; eine todähnliche Ohnmacht umfing ihr mitleidsvoll die allzutief erschütterte Seele, während Octavia, vom Ungestüm ihrer inneren Kämpfe bewältigt, am Lager des jungen Mädchens stöhnend zusammenbrach.
     

Zehntes Kapitel
     
    All-Heilmittel ist die Arbeit. Wäre es Winter gewesen, und der todwunde Cäsar hätte sich tief in den Strudel der inneren und äußeren Politik stürzen können, – wer weiß, wie die Dinge sich schließlich entwickelt hätten. So aber stand die Sonne fast schon im Zeichen des Löwen; die Staatsgeschäfte stockten; Rom war nach den Begriffen der vornehmen Welt unbewohnbar, – und so blieb nur die campanische Villeggiatur mit ihren tollen, märchenhaften Vergnügungen . . .
    Es war eine wetterleuchtende Nacht im herrlichen Bajä. Das geräuschvolle Treiben der Hafenstraße begann zu verstummen. Hier und da klang noch ein Trinklied aus den Matrosentabernen über den Golf herüber. In den glänzenden Villen herrschte die Ruhe der Uebersättigung. Die ermüdeten Großstädter lagen bei weit geöffneten Thüren auf den Polstern ihrer Cubicula, um der Ruhe zu pflegen, wenn auch die drückende Temperatur den Schlaf scheuchte.
    Nur droben, einige hundert Schritte aufwärts vom Gestade der Bucht, flammte es noch von zahllosen Pechpfannen, deren rötlich bestrahlter Qualm nahezu senkrecht zum Himmel aufstieg.
    Hier, in den Rosengärten des Salvius Otho, hatte sich noch zu später Stunde ein auserlesenes Convivium gelagert, das mit jubelnder Flottheit Becher um Becher leerte.
    Salvius Otho, der Hausherr, war auf Antrag seines erlauchten Freundes, des Imperators, zum König dieses Conviviums ernannt worden und entledigte sich seiner scherzhaften Obliegenheiten als Trinkrichter mit vollendeter Grazie.
    Reichgekleidete Sklaven füllten unablässig die silbergetriebenen Kelche; allerliebste Hispanierinnen mit langhinwallendem Haupthaar schwebten im Glanze ihrer enganschließenden coïschen Florkleider wie beflügelte Genien umher und boten die sogenannten Bellaria, die würzigen Leckerbissen, durch deren Genuß die römische Zecherwelt ihre Leistungsfähigkeit zu steigern gewohnt war.
    Otho, als der König des Festgelags, lehnte mit einer Griechin aus Epidamnus, die vor kurzem erst in der Hauptstadt weilte, stolz am oberen Ende der Tafel.
    Rechts von der Griechin folgte der Herzenseroberer Sophonius Tigellinus mit der Gattin eines Senators. Die junge Frau, Septimia geheißen, gebärdete sich wie von Sinnen. Ihr Blick bohrte sich förmlich in die dunklen Augen ihres blasierten Partners. Trotz der Länge seines berauschend klingenden Namens hatte sie das Gelübde gethan, im Verlauf einer Stunde ihn ordnungsgemäß abzutrinken, das heißt: aufs Wohl des vergötterten Mannes so viel Becher zu leeren, als das Wort › TIGELLINVS‹ Buchstaben zähle.
    Sie war jetzt eben beim › V‹.
    Links von dem Trinkrichter zechte der würdige Seneca, der Horazischen Mahnung folgend, daß es reizend sei, bei Gelegenheit über die Schnur zu schlagen. Vielleicht entschuldigte ihn sein Gewissen mit dem hochpolitischen Lehrsatz von der Obmacht der Staatsraison. Nero war, der Meinung des Philosophen zufolge, jetzt gerade im besten Zuge, den letzten Einfluß der Kaiserin-Mutter beiseite zu schieben. Zur Durchführung dieser Oppositionsrolle bedurfte der junge Cäsar einer gewissen Betäubung. Trotz aller Enthüllungen über Agrippinas Vergangenheit regte sich immer wieder die vielberufene kindliche Pietät; in den Stunden der Einsamkeit suchte der Kaiser nach Entschuldigungsgründen für die Missethaten der Mutter, ›die doch stets nur gefrevelt hatte um seinetwillen!‹; und so hielt es der Staatsminister für günstig, wenn sich der Imperator, anstatt wie früher zu grübeln, frisch und frank in das laute Getümmel des Lebens stürzte.
    Senecas Nachbarin war nicht viel ernsthafter und gediegener, als die Septimia des Tigellinus: aber sie war eine größere Modenärrin, und die

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