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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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krampfhaft unter die linke Brust stemmte, als wolle sie dort einen qualvollen Druck beiseite schieben.
    Agrippina eilte nun doch in das Vorgemach.
    »Lauf!« sagte sie zu der nächsten Sklavin, deren sie ansichtig wurde. »Abyssus, der Arzt der erlauchten Octavia, soll unverzüglich hier eintreten.«
    Abyssus erschien. Tiefen Schmerz in dem klugen, männlich-schönen Gesicht, schritt er aufs Lager zu.
    Er fühlte der Kranken den Puls, schob ihr mit der Spitze des linken Daumens die halbgeschlossenen Lider zurück und sah ihr – seine rechte Hand bald über das Auge legend, bald sie rasch wieder hinwegziehend – forschend in die Pupille.
    Nachdem er unmerklich genickt hatte, drückte er sein Ohr wider die Brust der Patientin, um ihre Herzthätigkeit zu beobachten.
    Octavia indes klagte und jammerte unbeirrt weiter.
    Neue Visionen schienen ihre umnachtete Seele jetzt heimzusuchen.
    »Ja, du bist unglücklich!« stöhnte sie, das Antlitz in den Kissen verbergend. »Dieser erbärmliche Phaon! Hast du ihm dafür das entzückende Landhaus geschenkt? Phaon hat sie beschützen sollen, – und Phaon hat zugegeben, daß sie geraubt wurde! Der Elende! Dir so das Herz zu zerreißen! Weine nicht, Nero! Ich kann's ja nicht sehen, wenn du weinst. Ich will sie dir suchen helfen. Ganz gewiß! Und ich finde sie! Nein, nein! Fort mit dem Dolche! Du sollst dich nicht töten! Leben sollst du, leben – mit ihr, mit deiner unvergeßlichen Acte! Glaube mir doch, sie liebt dich ganz ohne Maßen! Und ich weiß, wo sie ist . . . Ach, ihr Blondhaar, das dich so süß umstrickte, schimmert ja dort durch das Myrtengesträuch! Ist das die Villa des Phaon? O, die entsetzliche Klinge! Phaon! Acte! Fallt ihm doch in den Arm! Hilfe! Nero! Da . . . Er stößt zu . . . Nero! Nero! Zu spät!«
    Ihre Stimme klang wild gellend, wie die einer Rasenden.
    Dann schluchzte sie eine Minute lang still vor sich hin.
    Plötzlich fuhr sie empor.
    »Laß mich hinaus!« schrie sie verzweiflungsvoll. »Ich will zu ihm! Ich schwöre es euch: er bohrt sich sonst den Stahl in die Kehle! Er hat's ja vor dem Senate gelobt! Die eigene Mutter hat es ihm vorgeschrieben! Agrippina! Ruft mir doch Agrippina! Hört ihr denn nicht! Hat mich denn alles verlassen?«
    »Hier bin ich,« stammelte Agrippina, sich niederbeugend.
    Octavia schlang ihr den rechten Arm um den Hals und wiederholte voll Inbrunst: »Thu mir die Liebe an! Ruf mir die Agrippina! Agrippina, das weiß ja die ganze Welt, hat großen Einfluß auf Nero! Weit größeren als ich! Und so gehört sich's auch! Siehst du, ich bin ja viel zu gering für Nero! Ein so schlechtes Geschöpf kann er nicht lieben, wenn er auch wollte! Sag das der Agrippina! Wenn er mit Acte sich einließ: – ich allein war die Schuldige! Auch Poppäa ist hundertmal besser als ich! Tragt ihr das alles nicht nach, ich bitte euch flehentlich! Agrippina soll ihr verzeihen! Allmutter Juno, ich bin die Verworfenste unter den Weibern! Ach, Nero kann mir ja nicht vergeben! Nie und nimmer! Kein Gott wird die arme Octavia erlösen, nicht einmal Jesus der Galiläer, der zu Acte gekommen ist, um sie selig zu machen! Selig, selig . . .! Das ist sie gewesen! Mich aber sollt ihr ans Kreuz schlagen, an den Galgen der Ehrlosen! Fort! Ihr durchbohrt mir die Hände! Noch nicht, noch nicht! Ich lebe ja noch! O, so wartet doch nur einen einzigen Tag! Ich sehe ja schon, wie der gräßliche Tod kommt, der unbarmherzige Tod mit dem Stundenglas! Da – nun ist das letzte Sandkorn hinabgerollt! Nun bin ich gestorben! Gestorben! Und Nero hat seine arme Octavia nicht wiedergesehen!«
    Erschöpft löste sie ihren Arm von dem Nacken der Kaiserin-Mutter und sank zurück.
    Abyssus, dem die funkelnden Thränen über die Wangen liefen, eilte von dannen.
    Zehn Minuten später kam er zurück. Er trug in metallener Schale einen milchweißen Trank.
    »Herrin,« flüsterte er mit einem flehenden Blick in Octavias verstörte Augen, »nimm dies: dann wirst du Ruhe finden!«
    Beim Klange seiner weichtönigen Stimme horchte sie auf.
    »Wer sprach zu mir?« fragte sie lächelnd. »Ach so mild, so unsagbar freundlich? Das war Nero, mein teurer Gemahl. Tritt doch heran! Noch näher! Aber ich sehe dich nicht. Bin ich denn blind? Mir liegt's wie ein Schleier über den Augen.«
    Abyssus schob ihr den rechten Arm unter den Rücken, hob sie sanft in die Höhe und bot ihr mit der Linken die Schale.
    Sie schürfte einige Tropfen, bäumte sich jählings zurück und schrie so laut,

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