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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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zu wandeln . . .
    In diese Zeit nun fiel die Rückkehr des Imperators und der Einzug der Poppäa Sabina in die cäsarische Hofburg.
    Als Freundin, als ein Vermächtnis des vortrefflichen Otho, ward sie von Nero eingeführt. Wohlweislich hatte man ihm von Octavias Erkrankung nichts mitgeteilt. Der Ueberbringer der Botschaft wäre keine Sekunde lang vor dem tödlichen Grimm der Poppäa sicher gewesen; gefruchtet aber hätte die Botschaft doch nichts; denn Poppäa hatte sich der glühenden Phantasie des Kaisers so völlig bemächtigt, daß nur ein Ereignis sie daraus hätte verdrängen können: das Wiedererscheinen Actes.
    Agrippina versuchte den Cäsar auf die richtigen Wege zu lenken. Sie beschwor ihn, das Weib des Otho nach Lusitanien oder doch in ihr eigenes römisches Heim zu senden, nicht aber der jungen Kaiserin das anzuthun, was selbst die ärmlichste Kleinbürgerin nicht zu dulden brauchte: die Beherbergung der Geliebten unter dem Dache der Ehegattin.
    Nero bestritt sein Verhältnis zu Poppäa Sabina und verharrte erst recht auf seiner tollen Idee, weil er der Mutter mißtraute und neue Herrschergelüste vermutete, wo in der That nur die berechtigte Mahnung einer weltklugen Frau vorlag.
    Seltsamerweise gab sich Octavia den Anschein, als glaubte sie, was ihr Gemahl ihr vorlog. Sie benahm sich wie Otho, wenn auch aus andern Beweggründen. Sie war zu ohnmächtig, zu völlig gebrochen, um den Kampf mit ihrer schnöden Rivalin auch nur zu erwägen. Ein Kampf überhaupt – das erkannte sie klarer als je – war auf diesem Gebiet eine fruchtlose Thorheit. Nicht der Ernst und der Eifer der Leidenschaft konnte zum Siege führen, noch gar eine verdienstliche Handlung: hier gab es lediglich eine Gnade der Götter.
    Sie schwankte anfangs, ob sie der Gegnerin nicht einfach das Feld räumen und sich für immer nach dem antianischen Landhaus zurückziehen sollte.
    Dann aber verwarf sie diesen Gedanken. »Die Pflicht« – so meinte sie – »gebietet mir auszuharren. Wenn der allmächtige Jupiter will, so kann er schon morgen das Herz meines Gatten mit Sehnsucht erfüllen nach der Verstoßenen, die ihm jetzt nur ein lästiges Hemmnis bedünkt. Dann will ich zur Stelle sein.«
    Gegen den Kaiser war Octavia die Sanftmut und Güte selber. Ja, sie ertrug es sogar, mit Poppäa Sabina höflich, wenn auch mit großer Förmlichkeit zu verkehren und sich blind zu stellen, wenn es der Uebermütigen manchmal wie triumphierender Hohn um die Lippen spielte.
    Diese stille Resignation wirkte wunderthätig auf ihr Gemüt. Sie erholte sich trotz der unmittelbaren Nähe des Weibes, das ihr den Herd entweihte.
    Ein Kraftgefühl kehrte ihr wieder, eine Frische des Wesens, die sie seit ihrer Mädchenzeit nicht mehr gekannt hatte. Mit heimlichen Wonneschauern gewahrte sie, daß sie voller ward, blühender, lebhafter als jemals zuvor.
    Nun begann sich auch die Hoffnung zu regen, die wirkliche, echte Hoffnung, nicht jene haltlose Schwärmerei, die von den Göttern ein Wunder erwartet . . .
    Octavia erschrak bei dieser Entdeckung. Mit aller Macht ihres Willens unterdrückte sie, was da so trügerisch lockend emporkeimte. Hatte sie nicht genug an dem Jammer früherer Enttäuschungen? Sie wollte nicht hoffen, sie wollte nur abwarten wie eine unbeteiligte Zuschauerin.
    So verstrich ihr der Winter. Nero schwelgte und prunkte mit Poppäa Sabina, ohne sich mehr um Octavia zu kümmern, als die strengste Notwendigkeit dies erheischte.
    Nur in den seltensten Fällen trat die junge Kaiserin an die Oeffentlichkeit. Die Gärten der Hofburg, die Unterhaltungen mit der welterfahrenen Rabonia und die traulichen Stunden, in denen Abyssus ihr die Fahrten und Abenteuer des Laërtiaden Odysseus vortrug, – das waren die Glanzpunkte dieses einsamen Daseins.
    Selbst den Verkehr mit der antianischen Villa hatte die Fürstin abgebrochen, da ihr die Briefe des wackeren Verwalters die Ruhe störten.
    Der Villicus nämlich schrieb gar zu begeistert von den häuslichen Tugenden Actes, von ihrer freundlichen, liebenswürdigen Art, die seinem Herzen so wohl thue und seinen Enkelkindern die natürliche Zärtlichkeit einer Mutter ersetze.
    Octavia, so wenig sie eines verwerflichen Neides fähig war, hatte dann jedesmal das Gefühl: ›Diese Acte ist dennoch von den Göttern bestimmt gewesen, ihn, den einzigen, wahrhaft glücklich zu machen.‹ Solche Betrachtungen aber sollten einstweilen vermieden werden.
    Im Anfang des Monats April nahm Octavia auf den Rat des Abyssus

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