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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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üppig und wild zu sein, schlossen doch die Gelage schon eine Stunde vor Mitternacht.
    Zwei Abende in der Woche wurden damit gefüllt, daß Nero selbst – scheinbar auf das dringliche Zureden seiner Freunde – deklamatorische Vorträge hielt, zur Leier sang, oder, dem Vorbilde gefeierter Modekünstler nacheifernd, pantomimisch Scenen aus dem Bereich der altgriechischen Sage vorführte, – die Opferung Iphigeniens, die Leiden des Philoktetes, die Heimkehr des Laërtiaden.
    Früher war dies außerordentlich selten und nur im engsten Kreis der Vertrauten geschehen. Jetzt lud man halb Bajä zu Gaste, – und so sehr sich das römische Anstandsgefühl durch diese künstlerischen Excesse beleidigt fühlte: man klaschte dem Weltbeherrscher doch Beifall, und zwar mit verdoppeltem Eifer, seitdem ein alter Senator, der beim verzweifeltsten Händeringen des Philoktetes friedlich entschlummert war, von einem der dienstthuenden Prätorianer einen ermunternden Stoß mit dem Lanzenschaft in den Rücken bekommen.
    Auch den Frühherbst verbrachte man noch in Bajä, ›leider‹ – wie Tigellinus heuchlerisch seufzte – ›ohne die allbelebende Gegenwart Othos‹, den die Gnade des Kaisers zum Proprätor in Lusitanien ernannt hatte.
    Das war ein Umarmen und Händedrücken, ein Winken und Wehen mit den flammroten Schleiern, als der betrogene Gemahl der schlauen Poppäa ›eingedenk seiner patriotischen Pflichten‹ am Kap von Misenum sich einschiffte! Der Flottenbefehlshaber Anicetus in eigener Person kommandierte das buntbewimpelte Fahrzeug, das den überflüssigen Eheherrn durch die felsgetürmten Säulen des Herkules nach dem Westgestade der Iberischen Halbinsel bringen sollte, denn: ›Ehre wem Ehre gebührt!‹
    Merkwürdig! Dieser Otho, ursprünglich von so rasender Eifersucht, und so leidenschaftlich erregt, war seit einiger Zeit ganz still und ruhig geworden, so unheimlich still, daß Nero im Verkehre mit ihm sich nicht mehr behaglich fühlte. Schon aus diesem Grund hatte der Imperator für die ›ruhmreiche Verbannung‹ des Unbequemen das abgelegene Lusitanien erwählt.
    Der Vorsicht halber gab er dem neuen Proprätor in der Person eines jungen germanischen Offiziers einen persönlichen Adjutanten mit, der die amtlichen wie die außeramtlichen Handlungen Othos insgeheim überwachen sollte.
    Dieser germanische Offizier war der Militärtribun Giso, der Sohn des Chattenfürsten Lollarius.
    Nero hielt ihn für ebenso zuverlässig als klug, ohne zu ahnen, daß Giso, von dem verwerflichen Treiben in Bajä gründlich angewidert, längst schon im stillen Partei für Otho ergriffen.
    Auch Poppäa verspürte bei der unbegreiflichen Wandlung ihres Gemahls ein Gefühl der Beklommenheit.
    Sie hatte schon eine offene Entzweiung gefürchtet, als sie erklärte, sie müsse zu ihrem größten Leidwesen hier in Italien zurückbleiben, weil der Arzt ihr bedeutet habe, das lusitanische Klima werde sie töten.
    Otho jedoch ging so ganz ohne Widerspruch auf ihre Absicht ein, daß sie stutzte.
    War sein eifersüchtiges Gebaren von ehedem nur Heuchelei gewesen? Hatte er aufgehört, sie zu lieben?
    Oder hielt er in seinem wachsenden Selbstgefühl eine ernstliche Treulosigkeit für unmöglich?
    Fast bedünkte es ihr, – und die Abschiedsworte des Gatten schienen diese Auffassung zu bestätigen.
    Nämlich zuletzt noch, beim Einsteigen in die Barke, die ihn an Bord bringen sollte, sprach Salvius Otho mit seltsam bewegter Stimme zum Imperator: »Liebster, nimm dich meiner getreuen Poppäa an und sorge dafür, daß ihr die Zeit bis zu meiner demnächstigen Rückkehr nicht zu beschwerlich deucht!«
    Nero meisterte seine Verwirrung, so gut es gehen wollte.
    »Reise nur!« sagte er höflich, und winkte ihm mit der Hand. »Ich werde mich dieses Auftrags erinnern.«
    Hiernach bemerkte der Agrigentiner: »Ich kenne den Cäsar in seiner ganzen unermeßlichen Huld. Mit meinem Kopfe bürg' ich dafür, daß er deiner verwaisten Gemahlin, wenn dir's genehm ist, ein Asyl im Palatium gewährt.«
    »Das überträfe ja meine kühnsten Erwartungen,« lächelte Otho.
    Nicht der leiseste Hauch von Bitternis oder Selbstironie glitt über sein vornehm-blasses Gesicht. Noch einmal nickte er mit gewinnender Freundlichkeit. Dann schritt er ins Boot, während die Umstehenden sich bedeutsame Blicke zuwarfen.
    Die Liebschaft zwischen Poppäa und Nero war für jeden, der Augen hatte, die unbezweifeltste Thatsache, wenn auch niemand gewagt hätte, öffentlich darauf

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