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Nero

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Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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daß rings die Wände erdröhnten: »Gift! Gift! Ihr wollt mich ermorden!«
    »Beruhige dich, Herrin! Ich bin's, Abyssus, dein getreuester Knecht, der dich hüten möchte wie seinen Augapfel.«
    Sie schaute ihm blinzelnd ins Angesicht.
    »Ja, ich erkenne dich! Alle Unsterblichen seien gelobt, daß du da bist! Komm, du Geliebter! Küsse mich! Warum sträubst du dich nur? Denkst du noch immer an Acte? Nein, du nimmst mich wieder ans Herz, wie ehedem! Weißt du noch – damals? Ach, hier über der Stirn sitzt mir ein Goldschmuck, der ist noch glühend vom Schmelzofen . . . Wie das hämmert und brennt! Gebt mir doch Schnee . . . Ich vergehe sonst!«
    »Trinke nur!« sagte Abyssus erschüttert.
    Sie leerte die Schale jetzt ohne Widerrede.
    Inzwischen hatte sich Agrippinas Vertraute, die meergrünäugige Acerronia, von ihrer Sklavin Olbia begleitet, in das Gemach geschlichen.
    Abyssus, kraft seiner Machtvollkommenheit als Arzt, gab ihr einen höflichen, aber energischen Wink, sich zurückzuziehen.
    »Völlige Ruhe,« setzte er flüsternd hinzu, »ist das einzige Mittel, die entsetzliche Ueberreizung, wie sie hier vorliegt, nach und nach zu beschwichtigen.«
    Die flammhaarige Cordubanerin willfahrte nur zögernd. Unter den gelblichen Wimpern zuckte es ihr wie Haß und Erbitterung.
    Das war nun das zweite Mal, daß Meister Abyssus die Pflichten des Arztes über die der Ehrerbietung und der höfischen Rücksicht stellte! Im vorigen Winter bereits, da die Kaiserin-Mutter plötzlich von heftigem Kopfschmerz befallen wurde, und ihr eigener Leibarzt erkrankt war, hatte sich dieser dreiste Abyssus erfrecht, ihr gleichsam die Thüre zu weisen! Es war unglaublich! Ein Sklave nahm sich's heraus, ihr, der Tochter eines römischen Vollbürgers, eines Ritters, Befehle zu geben! Der Laffe! Der dünkelvolle, unverschämte Gesell! Freilich, es war ihm vielleicht bequemer, keine Zeugen zu haben, wenn er so seinen schwarzlockigen Kopf wider die schneeige Brust seiner Patientin drückte, oder sie, wie ein zärtlicher Bräutigam, weich um die Hüften faßte!
    Mit solchen Reden machte sie ihrem Verdrusse Luft, während Olbia ihr gewohnheitsgemäß recht gab.
    Sie war allerdings äußerst gereizt, die rotumloderte Acerronia. Ihre Ehe mit Pharax schien sich unglücklich anzulassen. Kaum verheiratet, wohnten die beiden schon wieder getrennt; sie im Palatium, er in der großen Kaserne der Prätorianer. Agrippina hatte ihm freigestellt, die Legion zu verlassen und als persönlicher Adjutant der Kaiserin-Mutter in der Hofburg zu bleiben. Der kurze Versuch einer häuslich-ehelichen Gemeinschaft mit Acerronia war jedoch fehlgeschlagen, da Pharax, so kühn er auch seiner Zeit dem Rebstock der Centurionen getrotzt, den Krallen seiner mähnenumflatterten Pantherkatze durchaus nicht gewachsen war. Auch hatte er die Entdeckung gemacht, daß Acerronias Vorleben nicht ganz so tugendhaft war, als man auf Grund der Ohrfeige, die sie dem Tigellinus gespendet, hätte vermuten können.
    Abyssus wandte sich nun, den Wutblick der Cordubanerin vollständig übersehend, zu Agrippina. Er zeigte ihr den halb schon gerinnenden Rest, der in der Schale verblieben war, und raunte ganz leise: »Es ist ein Schlaftrunk, hauptsächlich aus Mohn bestehend. Wirkt dieses Mittel, so kann die fürchterliche Erregtheit schon vielleicht morgen beseitigt sein. Befiehl nur, daß niemand unsre Patientin zu stören kommt.«
    »Ich danke dir,« sagte die Kaiserin-Mutter. Sie bot ihm die Hand zum Kuß. »Niemand soll diese Schwelle betreten, außer mir und der Freigelassenen Rabonia.«
    Abyssus entfernte sich.
    Fast eine Stunde noch hielt die qualvolle Unruhe Octavias, ihr plötzliches Aufspringen, ihr Klagen und Schreien an. Nach und nach ward sie stiller. Zuletzt überkam sie ein bleischwerer Schlaf, der von der ersten Nachtstunde bis zum folgenden Mittag währte.
    Als sie die Augen aufschlug, war sie vollständig klar. Nur von dem, was sich seit ihrem Zwiegespräch mit der Kaiserin-Mutter ereignet hatte, wußte sie nicht das geringste. Auch fühlte sie sich über alle Beschreibung matt.
    »Wir haben gesiegt,« sagte Abyssus zu Agrippina. »Nun gilt's eine sorgsame Pflege, eine kunstgerechte Ernährung und die strengste Vermeidung gewisser Anklänge. Du verstehst mich, Gebieterin!«
    Acht Tage lang war Octavia unfähig, das Bett zu verlassen. Noch weitere acht Tage verstrichen, bis sie kräftig genug war, um durch die Gärten des Kaiserpalastes eine halbe Stunde lang auf und nieder

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