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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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anzuspielen. Höchst klüglich hatte Poppäa den Schein gewahrt, um desto sicherer sich festzunisten. Daß aber Otho so ganz und gar nichts gemerkt haben sollte, das ging ihr denn doch auf die Dauer nicht völlig ein. Bei der Erinnerung an die lächelnde Ruhe des Scheidenden schwante ihr etwas wie Unheil . . .
    Otho war abgesegelt. Die zweite Hälfte des Monats September brachte schon kühlere Nächte. Trotz der unvergänglichen Reize Campaniens sehnten sich die verwöhnten Großstädter nach dem Mittelpunkt der bewohnten Erde, nach Rom zurück.
    Mitte Oktober bestieg man die Reisewagen, – viele Hunderte an der Zahl: denn Poppäa allein hatte ein riesenhaftes Gefolge.
    Die purpurfarbenen Kaleschen, je mit vier, sechs oder acht goldüberladenen Vollblutrossen bespannt; die geräumigen Schlafkutschen; die Flachfuhrwerke mit ihren kunstvollen Mosaikböden und zusammengerollten Zeltdächern, aus denen man jederzeit so und so viele Speisezimmer herstellen konnte; die breiten Gepäckwagen; die hochgeräderten Cisien mit dem Tafelgeschirr; dies alles machte in seiner unendlichen Fülle und Ueppigkeit fast schon den Eindruck altpersischen Königsprunks.
    Dazu kamen die harnischblitzenden Prätorianer, die, in zwei Abteilungen gesondert, auf schneeigen Kappadociern dem Zuge voransprengten.
    Abenteuerlich und grotesk vollends wirkten die zwanzig Kamele mit den wallenden, gelbquastigen Scharlachdecken, von ringgeschmückten kohlschwarzen Afrikanern geritten, – eine Laune des Tigellinus, der am Strande von Bajä zur Abwechslung einmal ein feierliches Kamelsrennen veranstaltet hatte und diesen Scherz im großen Cirkus zu wiederholen wünschte.
    Den Kamelen des Tigellinus folgten, als Schluß des unabsehbaren Zuges, die allbekannten fünfhundert Eselinnen, prächtige mauritanische Exemplare, in deren Milch die schöne Poppäa Sabina jeden Morgen ein viertelstündiges Bad nahm, um sich die unvergleichliche Frische und Jugendlichkeit ihres ambrosischen Leibs zu erhalten.
    Wie betäubt starrten die armen Landleute rechts und links von der Via Appia diesem phantastischen Chaos von Wagen, Menschen und Tieren nach, bis das letzte Gefunkel des Sonnenlichts auf den goldbeschlagenen Hufen der Eselinnen verschwunden war.
    Von diesem glänzenden Hufbeschlag unterhielt man sich bereits in Hispanien und Gallien.
    Er war das erste Geburtstagsgeschenk des Kaisers an seine Geliebte und kostete elf Millionen Denare.
    Inzwischen war auch Octavia, ohne daß sie von Neros Beziehungen zu Poppäa etwas geahnt hätte, – denn keiner der Hausgenossen war dreist oder grausam genug, dergleichen ihr mitzuteilen – in das Palatium zurückgekehrt. Abyssus der Arzt, Rabonia und drei ihrer übrigen Freigelassenen begleiteten sie.
    Acte, in den Augen Octavias die reuigste Sünderin, die sich jemals einem beleidigten Weibe zu Füßen geworfen, war unter dem Namen Ismene zu Antium in der Villa verblieben. Niemand wußte dort um Actes Vergangenheit; nur Abyssus und die ernste Rabonia hatten's am Krankenlager des Mädchens vernommen, – und beiden brauchte man nicht erst zu sagen, wo sie zu schweigen hatten.
    Acte-Ismene sollte dem greisen Verwalter, dessen Ehefrau kürzlich gestorben war, die Haushaltung führen, ihm die früh schon verwaisten Enkelkinder erziehen und sich sonst nach Fähigkeit nützlich machen.
    Diese Vereinbarung entsprach dem dringenden Wunsche, den sie selber geäußert hatte.
    In Wahrheit nahm sie an nichts Interesse.
    Sie hatte nur den einen Gedanken: sich vor der Welt zu verbergen, den Cäsar, welchem sie jetzt, nachdem Octavia ihre Wohlthäterin geworden, noch weniger angehören durfte als je, um keinen Preis wieder zu sehen, und die Erinnerung an ihr sündiges Glück ein für allemal zu vernichten.
    Oft genug, wenn sie der Großmut und der Hochherzigkeit der jungen Fürstin gedachte, und jenes heiligen Schmerzes, der so bittere Thränen in diese jugendstrahlenden Augen gelockt hatte, meinte sie obgesiegt und jedes eigene Verlangen getilgt und verwunden zu haben.
    Dann aber kamen Momente der Sehnsucht, die alles, was Selbstverleugnung, ehrliche Willenskraft und heißes Gebet aufgebaut hatten, wieder in Trümmer warfen. Ihr Herz war zerklüftet, ihr ganzes Wesen grausam zerrissen. Sie konnte dann nicht begreifen, wie das eine Sünde sein sollte, was ihr so süß gedünkt, so himmlisch und rein, was ihr das unverstandene Dasein erst zum Leben gemacht hatte. Ja, sie liebte ihn, nach wie vor, heiß, unauslöschlich – obschon sie um

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