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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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dieser Liebe willen sich mitleidsloser verdammte, als Jesus von Nazareth in eigener Person es gethan hätte . . .
    Dazu kam, daß
ihr
die Kunde von dem Triumph der Poppäa nicht fremd geblieben war, wie der jungen Kaiserin selber.
    Ein unendliches Weh beschlich sie bei dieser Botschaft; nicht fiebernde Eifersucht, wie sie ein hohler geartetes Herz wohl empfunden hätte, sondern unsägliches Mitleid.
    Sie beweinte Octavia, die noch einmal die Funken ihrer verlöschenden Hoffnungen angefacht hatte, und mit dem scheuen Gedanken, es könne sich dennoch alles zum guten wenden, in die Hofburg zurückgekehrt war.
    Sie beweinte den Kaiser, der doch über alle Beschreibung elend sein mußte, wenn er bei einer Poppäa Sabina Trost suchte für das Ewig-Verlorene. Früher bereits hatte sie durch den Freigelassenen Artemidorus von dem ›schönsten Weibe der Siebenhügelstadt‹, ihrer öden Gefallsucht, ihrem tückischen Egoismus gehört. Sie wußte, daß diese Poppäa das glückverlangende Herz des Kaisers nie würde ausfüllen können. Seine Sinne berauschen, seinen Schmerz um das Einst für einige Augenblicke betäuben, das vermochte sie wohl: aber volle Heilung – wenn Heilung von dem Weh der Liebe überhaupt möglich war – hätte er nur bei Octavia gefunden. Dieses liebliche, jungfräulich-reine, ach, und doch so glut-erfüllte Geschöpf, diese Kaiserin mit der Dornenkrone: sie allein war befähigt, ihm Balsam in die blutenden Wunden zu gießen und seiner verfinsterten Seele das Licht zu bringen. Einmal nur mußte sie ihm beweisen, daß sie ihn wahrhaft liebte, daß ihre Neigung stärker war als ihr Stolz und ihr schmählich gekränktes Rechtsgefühl.
    Schien dies möglich? Oder hatte das Unglück sie völlig verschlossen gemacht? Dann wehe ihr, – und wehe dem Imperator!
    Es war Agrippina, die der Gemahlin des Kaisers unmittelbar nach ihrer Zurückkehr von Antium die Augen öffnete, – nicht etwa feierlich und im Tone einer gewichtigen Offenbarung, sondern ganz im Vorübergehen, gesprächsweise. Denn die Kaiserin-Mutter glaubte, Octavia wisse bereits um die bajanischen Vorfälle.
    Der Ausdruck wilder Verstörtheit in dem blutlosen Angesicht der Enttäuschten war fürchterlich.
    Agrippina selber, sonst doch gefeit gegen alle weichlichen Regungen, verlor gänzlich die Haltung.
    Sie fing die Zusammenbrechende mit den Armen auf, trug sie nach jenem Cubiculum, dessen Rückwand das Mordarsenal der Tyrannin beherbergte, und legte sie vorsichtig auf die Polster.
    Dann holte sie aus dem Schubfach – dicht neben jener verborgenen Lade, wo die entsetzlichen Gifte Locustas in Reih und Glied standen – ein lebenspendendes Wasser, halb nach Rosen und halb noch Zitronen duftend.
    Wie eine Mutter um ihr erkranktes Kind, mühte sie sich um die Bewußtlose, ohne nach Hilfe zu rufen, ohne nur den Gedanken zu fassen, als könne ein andrer hier Besseres und Sachgemäßeres leisten.
    Endlich schlug Octavia die Augen auf. Gleich darauf aber begann sie zu delirieren. Sie kleidete ihr unermeßliches Elend in herzzerreißende, wüste Naturlaute.
    »Arme Octavia!« murmelte Agrippina ein um das andre Mal. Und dann küßte sie ihr die Stirne, und für Augenblicke trug jener tiefgeheime sympathische Zug, der allerorten das Weib zum leidenden Weibe drängt, über die starre Selbstsucht ihres Charakters den Sieg davon. Die Augen dieser stolzen Menschenverächterin, die seit Jahren nur aus verwundeter Eitelkeit oder aus Zorn geweint hatten, opferten eine Thräne des Mitleids am Pfühl der grausam zertretenen Dulderin.
    »Acte! Poppäa! Chloris!« schluchzte Octavia, die Hände ringend. »Habt ihr euch alle verschworen? Ihr wollt mir ihn wegschleppen? Ach, und ich hatte ihn doch so namenlos lieb! Ihr macht mir ihn unglücklich! Ja, ich seh' es, ich seh' es . . .! Dort . . .! Dort . . .! O, wie er bleich ist! Was wollen denn die gespenstischen Reiter, die ihn verfolgen? Sein Blut! Ihr ewigen Götter, sein Blut! Helft! Helft! Rettet ihn! Acte! Süße Acte! Wenn du ihn wahrhaft geliebt hast – wirf dich doch ihren gräßlichen Lanzen entgegen! Sie durchbohren ihn sonst! Sie zermalmen ihn! Halt! Beim allmächtigen Jupiter, halt! Hier ist meine Brust! Tötet mich! Ach, ich kann ja nicht leben, wenn ihr mein Alles dahin rafft!«
    Mit zuckenden Fingern zerrte sie an der Tunica und entblößte in ihren schrecklichen Wahnvorstellungen den alabasternen Busen.
    »Hier! Stoßt zu! Hier!« ächzte sie unaufhörlich, während die linke Hand sich

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