Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
Laß uns Freunde sein, Acte, wirkliche Herzensfreunde! Jetzt verstehe ich erst, was ich jüngst im Saturnaliengedichte des jungen Lucanus las: daß jegliche Offenbarung vom Weibe kommt. Du, Acte, hast die Reinheit und Größe des Wollens: ich aber besitze die Macht. Ich brauche die Hand nur zu recken, und die Dinge des Weltreichs verwandeln sich, wie die kleinen Spielzeuge hier unter dem Zauberstabe des Cyrus. Wenn wir mutig zusammenstehen, du und ich . . . Ach, wie reizend du bist, wie gar so herrlich und wonnesam!«
    Voll brünstiger Zärtlichkeit küßte er der Glutüberströmten die Fingerspitzen. Sie entzog sich ihm, – fast mehr durch die bittende Kraft ihres Blickes, als mit Gewalt.
    »Besuche mich im Palatium,« fuhr Nero fort. »Hier dieser Ring wird dir jederzeit freien Zutritt verschaffen. Seneca muß dich kennen lernen. Du scheinst mir die großen Probleme des Nazarenertums tiefer zu fassen als Nicodemus. Willst du, Acte?«
    Er hatte den Siegelring vorsichtig abgezogen und bot ihr ihn jetzt, wie der Bräutigam der Braut eine Rose bietet.
    »Dank, Herr,« stammelte Acte verwirrt, – »aber mir sagt eine innere Stimme, daß ich dies Kleinod nicht nehmen darf; ebensowenig wie es mir zusteht, die Schwelle der Hofburg zu überschreiten.«
    »Thorheit! Wenn der Cäsar selbst es verlangt! Ah, – du fürchtest für deinen Ruf? Freilich, die verlästernde Welt geht um so rascher ans Werk, je frühlingsfrischer der Gegenstand ihres Hasses ist. Komm also stets nur in Begleitung des Nicodemus . . .«
    »Vielleicht, Herr!«
    »Weshalb sagtest du nicht ohne Umschweife Ja? Sieht es nicht aus wie Vorausbestimmung, daß wir uns hier zum zweitenmal treffen mußten, nachdem du vor wenigen Tagen erst meine Pfade durchkreuzt und meine Seele mit Sympathie erfüllt hast?«
    Acte errötete heftig. Wie in tiefer Beschämung senkte sie schweigend die Augen.
    »Also du kommst?« wiederholte der Kaiser.
    »Ich will zusehen, ob ich es wagen kann.«
    »Wie du glühst, Acte! Seh' ich denn aus, als ob ich dir Uebles wollte? Du sollst meine Schwester sein, meine herzliebe Schwester; – sonst vergeh' ich vor Sehnsucht. Ueberlegst du auch? Nero bietet dir seine Bruderhand, Nero, um dessen Gunst sich Könige in den Staub werfen!«
    »O, ich weiß, was diese Gunst wert ist!« sagte sie tieftönig. Es klang eine mächtige, überzeugungsfrohe Kraft in dieser vibrierenden Mädchenstimme. Nero war wie berauscht.
    »So bleibt es dabei, du Süße, du Herrliche! Welch ein Gedanke von Tigellinus, mich heute, in dieser Stunde just, nach dem Marsfeld zu locken! Alle Schätze des Reichs können's nicht aufwiegen! Er ist ja ein Thor, ein Mann des Augenblicks, ein Gedankenfeind, – aber dennoch hat er mir mehr gegeben als Seneca mit all seiner Weltweisheit.«
    Dröhnender Beifall und gleich darauf ein helles Fanfarengeschmetter bezeichnete jetzt den Schluß der Vorstellung.
    »Herr,« flüsterte Acte, da Nero Miene machte, ihr nach dem Ausgang zu folgen, »wenn du mir wohl willst, so lässest du mich allein. Ich möchte erkannt werden, – ach, und du ahnst nicht – wie lieblos und erbärmlich man urteilen würde.«
    »Gut, Acte! Du siehst, ich gehorche schon fast wie ein Sklave. Aber den Ring wirst du nehmen? Ich bitte dich herzlich darum.«
    »Wohlan denn . . .« stammelte sie bewegt. Der schwere Goldreif glitt ihr über den Mittelfinger. Hier paßte er, als sei er eigens für sie gefertigt. Ein sonderbares Gefühl überrieselte sie, halb Wonne, halb Weh und ahnungsvolle Besorgnis. Es war ihr, als trage sie eine Kette, die keine Gewalt der Erde wieder zerreißen könne.
     

Viertes Kapitel
     
    Mit großer Hast drängte sich Acte durch das Getümmel und erreichte das Freie, ohne daß Nicodemus ihr Enteilen bemerkt hätte.
    Es war ihr ein unerklärliches, aber zwingendes Herzensbedürfnis, mit den Eindrücken dieser bedeutsamen Stunde allein zu sein.
    Wenn sie sich vorstellte, wie ihr Gebieter sie ausforschen, wie er jegliches Wort, das der Kaiser zu ihr gesprochen hatte, zweifach und dreifach beleuchten würde, so verspürte sie eine unsägliche Angst. Es war ihr, als solle sie einer ungeweihten, fühllosen Hand die Durchmusterung ihrer kostbarsten Schätze gönnen. Eh' dies geschah, wollte sie wenigstens eine Weile noch glücklich sein im Alleinbesitz; sie wollte, was sie erlebt hatte, ungestört auskosten, und sich hinlänglich sammeln.
    Fast eine halbe Stunde lang schritt sie so durch die entlegneren Teile des Marsfeldes, ab und zu

Weitere Kostenlose Bücher